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Ursache "menschliches Versagen"?

Mehrere Tote bei Zugunglück in Oberbayern

  • Veröffentlicht: 09.02.2016
  • 20:43 Uhr
  • dpa
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Ein ohrenbetäubender Knall hallt am Morgen durch die Landschaft im Voralpenland, als in einer Kurve zwei Züge frontal ineinanderprallen. Zehn Menschen kommen ums Leben, Dutzende werden verletzt. Unglücksursache war wohl "menschliches Versagen".

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Bei einem der schwersten Zugunglücke in Deutschland seit vielen Jahren sind in Oberbayern mindestens zehn Menschen getötet worden. Aus noch nicht abschließend geklärter Ursache krachten am Dienstagmorgen zwei Nahverkehrszüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal ineinander. 18 Menschen wurden schwer, 63 Reisende leicht verletzt. Außerdem wurde noch eine Person vermisst, wie die Polizei mitteilte. Die Katastrophe von Bad Aibling ist das schwerste Zugunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren.

Trauer herrscht nicht nur in der Region, bis in die Politik hinein sendet das Unglück seine Schockwellen: Am Nachmittag entschieden sich die Parteien, auf den traditionsreichen Politischen Aschermittwoch in Bayern zu verzichten. Auch der Politische Aschermittwoch der CDU mit Kanzlerin Angela Merkel in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern wurde wegen des Unglücks abgesagt.

Unglücksursache "menschliches Versagen"?

Als die Züge am Morgen gegen 6.45 Uhr zusammenstießen und sich die Triebwagen ineinander verkeilten, entgleiste einer der Züge und mehrere Waggons kippten zur Seite. "Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen", berichtete ein sichtlich betroffener Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor Journalisten. "Das sind Bilder, die einen natürlich auch sehr stark emotional belasten, weil man sich nicht vorstellen kann, dass solche Unglücke auch bei uns vorkommen können."

Die Ursache für den Unfall war nach ersten Ermittlungen "menschliches Versagen", berichtet die dpa unter Berufung auf eine nach eigenen Angaben zuverlässige Quelle. Die auch Mangfalltalbahn genannten Strecke wird mit Hilfe des "Punktförmigen Zugbeeinflussungssystems" kontrolliert - "ein System, das automatisch dafür sorgen soll, dass das Aufeinandertreffen von Zügen nicht stattfindet, indem Züge zwangsgebremst werden, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke sind, Signale überfahren oder Ähnliches", sagte Dobrindt. Auf der Unfallstrecke war das System erst in der vergangenen Woche kontrolliert worden - alles schien einwandfrei.

Die Rettungs- und Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Rund 700 Rettungskräfte kümmerten sich um die Verletzten. Helikopter brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, wo sämtliche geplanten Operationen sofort abgesagt wurden, um Kapazitäten für die Versorgung der Opfer zu schaffen. Wasserwacht und Bergwacht waren ebenfalls im Einsatz.

Parteien sagen Politischen Aschermittwoch ab

Zum Teil zogen die überwiegend ehrenamtlichen Helfer die Opfer auch in Bergungssäcken mit Winden an den Hubschraubern hoch und flogen sie an das andere Ufer der Mangfall. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich tief betroffen: "In Gedanken bin ich auch bei den zahlreichen Verletzten, die mit den Folgen des Unglücks ringen", sagte sie. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin und der französische Premierminister Manuel Valls bekundeten ihr Mitgefühl. Die beiden großen Kirchen in Deutschland erbaten "Gottes Beistand und Trost".

Aus Respekt vor den Opfern sagten die Parteien den Politischen Aschermittwoch ab. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betonte: "Das ist eine Tragödie für unser ganzes Land, die uns mit Trauer und Entsetzen erfüllt." Der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold sagte: "Der Politische Aschermittwoch lebt von der Auseinandersetzung und dem Schlagabtausch der Parteien. Dafür ist heute und morgen kein Raum." Seehofer wollte am Mittwoch die Unglücksstelle besuchen und mit den Rettungskräften sprechen.

Seehofer am Mittwoch am Unglücksort

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will am Mittwoch die Unglücksstelle aufsuchen. Seehofer wolle sich vor Ort ein Bild von der Situation machen und auch mit Rettungskräften und Verantwortlichen sprechen, teilte die Staatskanzlei in München mit.

Bei aller Trauer war den Rettern schnell klar, dass das Unglück sogar noch schlimmer hätte ausfallen können. Denn wegen der Faschingsferien in Bayern saßen in den Zügen am Morgen weniger Pendler als sonst - und vor allen Dingen keine Schüler.

Bergung dauert wohl mehrere Tage

Die 37 Kilometer lange Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim wurde nach dem Unglück komplett gesperrt. Wann die Strecke wieder geöffnet werden kann, blieb zunächst unklar. Die Bergung der Trümmer wird aber wohl mehrere Tage dauern, da die Stelle schwer zugänglich ist. Am Mittwoch soll damit begonnen werden, die Zugwracks mit schwerem Gerät zu entfernen. Auch die Suche nach einer noch immer vermissten Person solle dann fortgesetzt werden, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd am Dienstagabend mit.

Ermittler versuchen nun, die Ursache des Unglücks zu ermitteln. Es soll auch Thema im Bundestag werden - der Verkehrsausschuss wird sich voraussichtlich bereits in der nächsten Sitzungswoche damit beschäftigen. "Es ist klar, dass alles getan wird, um das restlos aufzuklären", betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Schließlich müssten Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden.

Im Januar 2011 starben ebenfalls zehn Menschen, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstieß. In Bayern gab es ein noch schlimmeres Unglück im Jahr 1975, als bei Warngau zwei Eilzüge frontal zusammenstießen und 41 Menschen starben.

Das schwere Zugünglück von Eschede in Niedersachsen ereignete sich im Juni 1998: Nach dem Bruch eines Radreifens prallten dort mehrere Waggons eines ICE bei Tempo 200 gegen eine Straßenbrücke. 101 Menschen starben.

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