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Absage an einen rot-rot-grünen Kanzlerkandidaten

Wagenknecht bringt Linke auf Kurs

  • Veröffentlicht: 29.05.2016
  • 17:06 Uhr
  • dpa
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Dämpfer für die Führung, unklare Perspektiven: Bei den Linken herrschen gemischte Gefühle. Erst Sahra Wagenknecht bringt die Partei in Stimmung.

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Für Sahra Wagenknecht gibt es kein Zweifeln und Zaudern. "Danke, dass wir eine wirklich linke Politik verkörpern werden", ruft sie dem Parteitag zu. Mit heftigem Applaus haben die 580 Delegierten die Fraktionschefin nach ihrer Rede noch einmal auf die Bühne geholt. Wagenknecht lächelt zufrieden, dankbar, auch ein wenig gerührt. Sie sitzt so fest im Sattel wie noch nie. Damit, soviel wird am Sonntagnachmittag klar, ist der Linken-Kurs derzeit Wagenknecht-Kurs.

Den Vorstoß ihres Vorgängers Gregor Gysi für einen rot-rot-grünen Kanzlerkandidaten fegt die 46-Jährige als "absurd" vom Tisch. Immer wieder brandet im großen Saal der Messe Magdeburg Jubel auf. "Wenn der SPD-Vorsitzende Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders heißen würde, wäre ein gemeinsamer Kanzlerkandidat eine tolle Idee", sagte sie mit Blick auf Großbritannien und die USA. "Aber wir können uns doch die SPD nicht backen."

Tortenangriff am Samstag

Längst weggewischt sind da alle Reste des Tortenangriffs vom Vortag. Kurz nach Beginn des Parteitags hatte ihr ein 23-jähriger Mann eine braune Cremetorte ins Gesicht gedrückt. Auf Flugblättern begründete eine "Antifaschistische Initiative" die Attacke mit Wagenknechts Äußerungen zur Flüchtlingskrise. Die Ehefrau von Oskar Lafontaine hatte vor den Landtagswahlen im März von "Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung" gesprochen.

Doch das "Antifa-Arschloch", wie ein Wagenknecht-Vertrauter den Tortenwerfer nennt, erreichte genau das Gegenteil vom vermutlich Gewollten. Schon am Samstag, nachdem sie ihr verschmiertes rotes Kostüm im Hotel gegen ein blaues eingetauscht hatte, wurde Wagenknecht gefeiert. Auch ihre Gegner - von denen es bei der Linken immer noch eine ganze Reihe gibt - kamen bei ihrer Rückkehr in die Halle nicht darum herum, sich zu erheben.

Ihr Vorgänger Gysi hingegen, der Wagenknecht lange verhindern wollte, wird immer mehr abgemeldet. In Magdeburg ist der Fürsprecher eines neuen rot-rot-grünen Projekts gegen Kanzlerin Angela Merkel nur ein Phantom. Der 68-Jährige hatte von der aktuellen Führungsspitze keine Redezeit bekommen und blieb dem Konvent deshalb fern. Nur vereinzelt gehen Delegierte auf seine Kritik ein, die Partei sei "saft- und kraftlos".

Katja Kipping und Bernd Riexinger wiedergewählt

Die anderen Spitzenleute glänzten in Magdeburg kaum. Das Vorsitzenden-Duo aus Katja Kipping und Bernd Riexinger wird zwar wiedergewählt. Die Bundestagsabgeordnete aus Sachsen und der schwäbische Gewerkschafter kriegen aber einen Dämpfer. Ohne dass es Gegenkandidaten gibt, kommen sie über ein Ergebnis in den Siebziger-Prozenten nicht hinaus.

Über Stunden ist Nachdenklichkeit, ja Unsicherheit zu spüren. Wie soll man die bessere Protestpartei als die AfD sein, die in allen Umfragen bundesweit vor einem liegt? Die Linke gibt sich einen kämpferischen Kurs gegen rechts und macht viele soziale Versprechungen. Die AfD sei "weder sozial noch politisch in irgendeiner Art und Weise eine Alternative für die Gesellschaft", sagt Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch. 

Erst Wagenknecht schafft es, den Delegierten wirklich Mut zu machen. Die AfD stehe keineswegs gegen alle im Bundestag vertretenen Parteien. "Das ist ihr Selbstbild, von der sie lebt." Doch auch die Rechtskonservativen seien neoliberal. "Wir sind nicht Teil der Lager dieser Parteien – und ich glaube, dass wir das im letzten Jahr zu wenig deutlich gemacht haben."

Angst vor weiteren Wahlschlappen

Jüngere fordern frischen Wind bei den Linken. "Wir brauchen eine Revolutionierung der Partei", sagte die Berlinerin Lucy Redler. Bartsch und Riexinger geben hingegen Parolen der Hoffnung aus. Bartsch erinnert an die alte linke Tugend, "dass wir nach Niederlagen wieder aufstehen".

Doch die Angst ist spürbar, dass es nach den schlechten Wahlergebnissen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dieses Jahr nicht mehr besser läuft - im September in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Und wie der Anspruch der Linken, hier mitzuregieren, mit dem strikten Oppositionskurs im Bund zusammenpasst, wird in Magdeburg kaum thematisiert. Auch von Wagenknecht nicht.

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