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Löws Risiko mit Boateng

Neuer mahnt: "Hurra"-Schreie erst später

  • Veröffentlicht: 24.06.2016
  • 20:53 Uhr
  • dpa
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Ab jetzt darf sich der Weltmeister keine Aussetzer mehr erlauben. Vor der Partie gegen den Außenseiter Slowakei appellieren die Chefs vor allem an die Konzentration. Die Wade von Abwehrchef Boateng entscheidet mit über die Startelf. Geht Bundestrainer Löw ins Risiko?

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Die K.o.-Runden-Botschaft ist klar: Nur kein Leichtsinn und keine Unvernunft. Vor der Pflichtaufgabe der deutschen Nationalmannschaft im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei warnte der bisherige Turnierkapitän Manuel Neuer eindringlich vor Sorglosigkeit. Bundestrainer Joachim Löw muss vor allem das Risiko eines Einsatzes seines Abwehrchefs Jérôme Boateng abwägen. "Natürlich ist es eine andere Drucksituation", betonte Welttorhüter Neuer vor dem Start in die K.o.-Runde am Sonntag (18 Uhr) in Lille. "In einem Spiel kann immer alles passieren. Wir dürfen keinen Gegner auf die leichte Schulter nehmen", ergänzte der 68-malige Fußball-Nationalspieler.

Die Trainer werden in den verbleibenden Stunden bis zum Anstoß im Stade Pierre-Mauroy jedes Detail durchgehen, um von der Slowakei nicht wie beim Test in der EM-Vorbereitung (1:3) böse überrascht zu werden. Die Hauptaufgabe auf dem neu verlegten Rasen in Lille hat Löw bereits ausgegeben: Sein Team soll defensiv die Stabilität behalten und nach vorne effektiver operieren. "Wir müssen vor dem Tor zielstrebiger und konsequenter sein", forderte der Chefcoach.

Sonderprogramm für Boateng

Nach einem von Löw spendierten Erholungs- und Wellnesstag begann am Freitag im Trainingsstadion Camille Fournier von Évian-les-Bains die praktische Vorbereitung auf das erste Alles-oder-nichts-Spiel in Frankreich. Der an einer Muskelverhärtung in der rechten Wade leidende Boateng absolvierte ein Sonderprogramm unter der Leitung von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Erst strampelte der 27 Jahre alte Münchner locker auf einem Fahrradergometer. Dann schloss er eine Laufeinheit mit Fitnesscoach Shad Forsythe an.

Angesichts des voraussehbaren schwierigen Turnierweges mit einem möglichen Viertelfinale gegen Spanien oder Italien und einem programmierten Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich oder England muss Löw das Risiko eines Boateng-Einsatzes genau beurteilen. Zwar würde der Bundestrainer ungern das starke Duo Boateng/Hummels sprengen. Andererseits könnte der bislang bärenstarke Boateng in den Duellen gegen folgende Weltklassegegner noch wertvoller sein.

Laut DFB liegt Boateng voll im Plan. Das Abschlusstraining am Samstagvormittag vor der Abreise nach Lille soll der Indikator für ein Mitwirken gegen die Slowaken sein. Torwart Neuer glaubt an einen Einsatz seines Bayern-Kollegen, benannte aber auch die Gefahr: "Falscher Ehrgeiz ist ein falscher Ratgeber." Das Wichtigste sei, dass Boateng in seinen Körper hineinhorche: "Jérôme ist Profi genug. Ob er ja oder nein sagt, ist schlussendlich seine Entscheidung." Das allerletzte Wort aber hat auch dann immer noch der Bundestrainer.

Höwedes und Mustafi als Alternativen

Natürlich hat sich der Stab um Löw bereits mit Alternativlösungen beschäftigt. "Wir haben Vertrauen zu den Jungs, die dahinter sind", betonte Assistent Thomas Schneider. Er führte den Schalker Benedikt Höwedes und danach Shkodran Mustafi vom FC Valencia als Optionen auf.

Höwedes musste beim jüngsten 1:0 gegen Nordirland seinen Startplatz als Rechtsverteidiger an den offensivstärkeren Joshua Kimmich abgeben, ersetzte aber in der Schlussphase bereits Boateng. "Gegen Nordirland haben die Außenverteidiger sehr hoch gestanden. Das ist immer abhängig davon, gegen wen wir spielen. Mal schauen, wie es gegen den nächsten Gegner aussieht", sagte Kimmich am Freitag.

Ein Vergleich mit dem 2014 als Nationalspieler zurückgetretenen Philipp Lahm, der von einigen Medien schon gezogen wurde, macht für den 21 Jahre alten Kimmich "wenig Sinn". Lahm sei der beste Außenverteidiger der Welt, betonte der gebürtige Baden-Württemberger: "Er hat es jahrelang bestätigt. Ich habe gerade die erste Saison in der Bundesliga gespielt und die ersten Spiele hier bestritten."

Im Training deutete sich an, dass der Bundestrainer wieder auf Kimmich sowie die Mittelfeld- und Angriffsbesetzung vertrauen will, die gegen Nordirland begonnen hatte. Der Bundestrainer erwartet die Slowaken mit einer ähnlichen Nadelstich-Taktik wie beim verlorenen Unwetterspiel vor vier Wochen. "Die Slowakei kann eine kleine Sensation schaffen. Wir sind gewarnt", sagte Co-Trainer Marcus Sorg.

Überraschung mit Schweinsteiger?

Der Matchplan steht und soll von Bastian Schweinsteiger und dessen Kollegen verinnerlicht werden. Inwieweit der 31-jährige Kapitän ähnlich wie beim WM-Triumphzug vor zwei Jahren in Brasilien auch dieses Mal noch eine Hauptrolle übernehmen kann und soll, bleibt einer der großen Überraschungsmomente. In Frankreich stand Schweinsteiger bisher nur 23 Spielminuten auf dem Platz.

Mit dem Start in die K.o.-Phase steigt auch die Zuversicht im Weltmeisterteam weiter an. "Wir sind eine Mannschaft, die sich auf den Punkt konzentrieren kann", betonte Torwart Neuer. Und Mittelfeld-Arbeiter Sami Khedira hat "wieder ein gutes Gefühl" für die nächsten Aufgaben: "Die Mannschaft weiß, worauf es ankommt."

Neuer sieht in den bisherigen EM-Auftritten in Frankreich noch keinen Grund "für Hurra-Schreie". Für Fan-Euphorie in der Heimat könne erst ein Sieg gegen die Slowakei und ein folgendes erfolgreiches Spiel gegen Italien oder Spanien sorgen: "Wir sind gut vorbereitet."

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