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Mähmaschinen sind tödliche Gefahr

Rehkitze retten mit Drohne und Wäschekorb

  • Veröffentlicht: 27.05.2020
  • 16:23 Uhr
  • dpa
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Klein und geruchlos liegen Rehkitze im hohen Gras. Vor natürlichen Feinden sind sie gut versteckt. Doch wenn die Mähmaschine anrollt, führt das Verharren meist zum Tod. Rehkitzretter wollen das ändern.

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Um ein Rehkitz vor dem Mähtod zu retten, steht Wolfgang Moldehn um 3 Uhr auf. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen und dem für das Gebiet zuständigen Jäger macht sich der 73-Jährige am frühen Morgen auf den Weg, um im Auftrag von Landwirten Felder im Landkreis Goslar mit einer Drohne abzufliegen. Die im Gras versteckten Rehkitze entdecken sie per Wärmebildkamera.

«Die Drohne fliegt in 80 bis 100 Metern Höhe», erzählt Moldehn, der Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Goslar ist. Auf einem Monitor beobachten die Retter, was die Wärmebildkamera aufzeichnet. Gerade in den frühen Morgenstunden, wenn der Boden noch kühl ist, seien Tiere gut zu erkennen. «Wir sind in der Lage, jeden Maulwurf zu finden, der an die Oberfläche kommt», sagt er. «Uns geht kein Kitz durch die Lappen.»

Zehntausende Rehkitze sterben Schätzungen zufolge jedes Jahr in Deutschland durch Mähmaschinen. In den ersten Wochen nach ihrer Geburt liegen sie versteckt im hohen Gras. Droht Gefahr, ducken sie sich und verharren regungslos. Jahrelang durchkämmten Jäger, Landwirte und Naturschützer Felder vor der Frühjahrsmahd zu Fuß, um Tiere aufzuspüren. Dabei seien viele Kitze übersehen worden, sagt Moldehn. Selbst der Einsatz von Hunden habe nicht viel gebracht. «Die Hunde riechen nichts, weil die Rehkitze absolut geruchlos sind», erklärt er.

"Einsatz von Drohnen hat zweifelsfrei zugenommen"

Ihm zufolge sind Drohnen mit Wärmebildkamera die beste Möglichkeit, um Jungtiere zu finden. Seit rund vier Jahren beschäftigt sich der Naturschützer mit der Wildtierrettung per Drohne. «Wir haben jetzt 59 Helfer und sechs ausgebildete Drohnenpiloten», erzählt er über die Rehkitzrettungsgruppe, die inzwischen fünf hochwertige Drohnen-Systeme besitzt. «Das machen alle freiwillig und ehrenamtlich.» Ziel sei, Tierleid zu verhindern.

Von Mai bis Juni sind im Agrarland Nummer eins zahlreiche Rehkitzretter unterwegs - zunehmend auch mit Drohnen, wie der Sprecher der Landesjägerschaft Niedersachsen, Florian Rölfing, berichtet. Neben den klassischen Präventionsmaßnahmen wie dem Absuchen der Felder oder dem Einsatz von Knistertüten und Duschradios als Vergrämungsmaßnahme könnten Drohnen mit Wärmebild- oder Infrarottechnik eine Bereicherung bei der Wildtierrettung sein.

Der Landesbauernverband sieht ebenfalls eine Entwicklung. «Der Einsatz von Drohnen hat zweifelsfrei zugenommen, aber wir haben keine Zahl, wie viele Landwirte diese Variante wählen», sagt Landvolk-Sprecherin Gabi von der Brelie in Hannover. Eine Pflicht, Felder vor dem Mähen nach Jungtieren abzusuchen, gebe es nach ihrem Kenntnisstand nicht. «Aber es ist Eigeninteresse der Landwirte. Niemand möchte ein totes Kitz unter den Mähmessern finden.»

Die Wildtierrettung per Drohne wird unterschiedlich organisiert. Oft schaffen Mitglieder eines Naturschutzvereins oder Jäger mit Hilfe von Spenden eine Drohne an und holen die nötigen Genehmigungen ein. Das Absuchen bieten die Gruppen den Landwirten kostenfrei an, der für das Gebiet zuständige Jäger ist in der Regel beim Einsatz dabei. «Wenn wir ungefragt das Rehkitz wegtragen, ist das Wilderei», erklärt der Vorsitzende der Nabu-Gruppe in Neustadt, Reinhard Hoffknecht, der selbst Jäger ist.

In dessen Rettungsgruppe gibt es inzwischen vier ausgebildete Drohnen-Piloten und eine Drohnen-Pilotin. «Wir haben eine Drohne mit Normalbild und Wärmebildkamera. Sie fliegt um die 20 Meter Höhe», sagt er. Eine Garantie, jedes Kitz zu finden, gibt es nicht. Demnach ist es Hoffknechts Gruppe in Einzelfällen passiert, dass ein Kitz trotz Drohne übersehen wurde. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden sei die Suche aus der Luft aber viel erfolgreicher. «Das Erlebnis, ein Kitz gerettet zu haben, das wird man nicht wieder los», schwärmt der 66-Jährige. «Es gibt nichts Schöneres.» Hoffknecht hofft, dass Wildtierrettung per Drohne in Deutschland weiter zunimmt. «Bislang wird nur ein Bruchteil der Felder so abgesucht.»

Eine Neuerung hält derweil in vielen Rehkitzrettungsgruppen Einzug. Statt das Kitz aus dem Feld wegzutragen, stülpen Helfer einen Wäschekorb darüber und markieren die Stelle mit einer hohen Stange. Der Landwirt fährt beim Mähen um die Stelle herum, danach wird der Korb entfernt. «Die Belastung für das Kitz ist wesentlich geringer als wenn wir es aus dem Feld tragen», sagt Moldehn. «In dem Moment, wo wir es hochtragen, fängt es an zu schreien.» So könne ein Fuchs aufmerksam auf das Kitz werden. Zudem gebe es beim Wegtragen die Gefahr, dass Menschengeruch an das Tier gelange und die Mutter es später nicht mehr annehme. Manche Kitze versuchten sogar, ins Feld zurückzulaufen. Die Retter in Neustadt wollen die neue Methode auch anwenden und haben mehrere Wäschekörbe bestellt. «Die Körbe sollen Ende der Woche kommen», sagt Hoffknecht.

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