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In Corona-Krise

Sorge vor mehr häuslicher Gewalt - vor allem in Städten

  • Veröffentlicht: 05.04.2020
  • 11:35 Uhr
  • dpa
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© dpa

Familien leben auf engem Raum, sollen nicht mehr rausgehen: Da könnte häusliche Gewalt besonders gegen Kinder ansteigen, warnen Politik und Experten.

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Experten sorgen sich in der Corona-Krise zunehmend vor einem Anstieg von häuslicher Gewalt gegen Kinder. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht diese Gefahr vor allem in den Städten. "Aus den Ländern bekommen wir unterschiedliche Rückmeldungen. Es gibt offensichtlich ein Stadt-Land-Gefälle", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Aus ländlichen Regionen, wo es mehr Möglichkeiten gebe, raus zu gehen und wo Menschen nicht so sehr auf engem Raum lebten, sei das Konfliktpotenzial nicht so hoch. "Dort hören wir noch nicht von zusätzlichen Fallzahlen", sagte Giffey. Bereits in der vergangenen Woche habe sie aber aus Berlin die Rückmeldung bekommen, dass die Anzeigen wegen häuslicher Gewalt um zehn Prozent gestiegen seien.

Um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verlangsamen, sind in den meisten Bundesländern seit nunmehr drei Wochen die Schulen und Kitas geschlossen. Zudem gibt es weitreichende Ausgangsbeschränkungen. Wegen der Situation wird mit einer Zunahme häuslicher Gewalt gerechnet.

Beim Hilfetelefon "Nummer gegen Kummer" gebe es einen Anstieg der Anrufe um mehr als 20 Prozent, sagte die Ministerin "Zeit Online". "Es rufen sowohl mehr Kinder als auch mehr Eltern an." Ein Teil des Zuwachses könne auch dadurch begründet sein, dass man massiv für die Nummer geworben habe. Kinder- und Jugendliche, die Hilfe suchen, können sich an die deutschlandweite kostenfreie Nummer 116 111 wenden. Für Mütter, Väter oder Großeltern gibt es die 0800 111 0550. Die Beraterinnen und Berater verstehen sich als "erster Ansprechpartner" und vermitteln bei Bedarf Kontakt zu weiteren Hilfsangeboten vor Ort.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Kinderschutzbund warnten vor einer Zunahme unentdeckter Gewalt gegen Kinder angesichts von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. "Problematisch ist, dass persönliche Kontakte zwischen Jugendämtern und Familien derzeit die Ausnahme sind", sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Augsburger Allgemeinen". Auch andere Frühwarnsysteme seien eingeschränkt: "Die Kinder besuchen auch nicht mehr die Kitas, die Schule oder die Sportvereine, Orte, an denen ein möglicher Missbrauch entdeckt werden könnte."

Schutzkleidung für Jugendämter?

Nach Landsbergs Ansicht sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter zu den systemrelevanten Berufen zählen und mit Schutzkleidung ausgestattet werden. Dann könnten auch Hausbesuche stattfinden.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, forderte eine finanzielle Soforthilfe für arme Familien. "Viele Eltern haben eigentlich Anspruch auf kostenlose Mittagsversorgung ihrer Kinder in der Schule und Kita, auch das fällt jetzt weg", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Die Politik solle
den betroffenen Eltern deshalb unbürokratisch 90 Euro pro Kind und Monat als Ausgleich zahlen.

Schon in der vergangenen Woche hatten Experten eindringlich vor einem Anstieg von häuslicher Gewalt - insbesondere gegen Frauen und Kinder - gewarnt. "Die Täter haben jetzt viel mehr Zugriff auf die Kinder und die Kinder haben weniger Möglichkeiten, nach außen Signale zu senden, dass etwas nicht stimmt", sagte die Leiterin des Lehrstuhls Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes, Tanja Michael. Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić, berichtete beispielsweise, dass man in Dänemark beobachtet habe, dass die Zahl der Frauen gestiegen sei, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchten.

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