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Keine einfache Arbeit

Integrationslehrer - wenige Männer wollen den Knochenjob machen

  • Veröffentlicht: 17.09.2019
  • 15:49 Uhr
  • dpa
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© dpa

Wer auf absehbare Zeit in Deutschland bleiben wird, kann einen Integrationskurs besuchen. Einfach ist der Job der Lehrkräfte nicht, die ihnen die deutsche Sprache und das hiesige Wertegerüst vermitteln sollen.

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Traumata, die Trennung von Familienmitgliedern, schwierige Wohnverhältnisse und niedriges Bildungsniveau - das sind die größten Hindernisse für Flüchtlinge beim Deutschlernen. Den höchsten Anteil von Schutzsuchenden mit posttraumatischer Belastungsstörung fanden die Autoren eines Forschungsberichts zum Integrationsangebot des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bei Frauen, die älter sind als 30 Jahre.

Und noch ein Problem, das Frauen stärker betrifft als Männer, zeigt der Bericht auf, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde: Mütter von Kleinkindern nehmen oft gar nicht erst an den angebotenen Kursen teil. Damit diese Frauen nicht aufgrund fehlender Sprachkenntnisse dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind und kaum Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft haben, hat das Bamf seit 2017 rund 43 000 Plätze für die Beaufsichtigung von Kindern während der Kurszeiten gefördert.

Laut Bamf sind aktuell etwa 22 Prozent der Kursteilnehmer Analphabeten. Für Menschen aus dieser Gruppe ist es aus Sicht des Bundesinnenministeriums bereits als Erfolg anzusehen, wenn sie die Prüfung mit dem Niveau A2 abschließen. Das bedeutet, jemand kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen. Etwas mehr als 15 Prozent der Teilnehmer der Alphabetisierungskurse erreichten zuletzt das Niveau B1. Das heißt, der Ausländer kann auf Deutsch Erfahrungen und Ereignisse beschreiben, persönliche Briefe schreiben und Meinungen ausdrücken.

Über alle Kursarten betrachtet lag die Zahl derjenigen, die mit B1 abschlossen, im vergangenen Jahr bei 52 Prozent. In einigen anderen EU-Ländern wird das B1-Niveau für Flüchtlinge gar nicht angestrebt. Dass es in Deutschland anders ist, hat auch mit den Erfahrungen aus der "Gastarbeiter"-Zuwanderung zu tun.

"Schwer, sich dazu zu motivieren"

Um gute, motivierte Lehrkräfte für seine Integrationskurse zu finden, hatte das Bundesamt das Mindesthonorar im Jahr 2016 von 23 Euro auf 35 Euro pro Stunde erhöht. Wer einen Alphabetisierungskurs leitet, erhält 40 Euro. Eine Lehrkraft, die für die Untersuchung befragt wurde, bezeichnete die Arbeit im Alphabetisierungskurs dennoch als "Knochenarbeit". Sie sagte: "Es ist sehr schwer, sich dazu zu motivieren, weil das Ergebnis nicht unbedingt sichtbar ist." Laut Studie sind 80 Prozent der Lehrkräfte weiblich. 76 Prozent der Lehrkräfte besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die integrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, forderte: "Statt die Mittel für die Integrationskurse für 2020 um über 20 Millionen Euro zu kürzen, sollten die Mittel deutlich erhöht werden, für eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte, für kleinere Klassen, für mehr Kursstunden, für bessere Strukturen."

Besonders hoch ist der Anteil der Menschen mit sehr niedrigem Bildungsniveau unter Schutzsuchenden aus Somalia, Eritrea und Afghanistan. Laut Studie hat gut ein Drittel der in Deutschland aufgenommenen Afghanen gar keine Schulbildung, 27 Prozent haben nur die Grundschule besucht. Deutlich höher ist das Niveau bei Menschen aus Syrien. Von ihnen kamen lediglich sieben Prozent ohne formale Bildung nach Deutschland; 21 Prozent waren zuvor lediglich in der Grundschule. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) haben länger die Schule besucht. Über 15 Prozent der Syrer haben vor der Flucht studiert.

Den Angaben zufolge kommt es vor allem in den sogenannten Orientierungskursen, in denen Zuwanderer lernen sollen, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert, zu "Wertekonflikten". Als besonders schwierige Themen gelten dabei politische Einstellungen, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Antisemitismus, Homosexualität sowie Fragen der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit.

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