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Nach Selbstmordattacken

Islamisten aus Sri Lanka unter Verdacht

  • Veröffentlicht: 22.04.2019
  • 20:29 Uhr
  • dpa
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© dpa

War eine islamistische Gruppe für die Anschlagsserie in Sri Lanka verantwortlich? Und wurden Hinweise auf die Taten ignoriert? Die Angriffe mit fast 300 Toten lassen viele Fragen offen.

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Die verheerenden Selbstmordanschläge auf Kirchen und Luxushotels in Sri Lanka gehen nach Einschätzung der Regierung auf das Konto einer einheimischen radikal-islamischen Gruppe. Die Regierung ist jedoch überzeugt, dass die verdächtigte Gruppe National Thowheeth Jamaath die Attacken vom Ostersonntag nur mit Unterstützung eines internationalen Netzwerks verübt haben kann, wie ein Sprecher sagte.

Bei den Explosionen an acht Orten starben mindestens 290 Menschen, es gab mehr als 500 Verletzte. Unter den mehr als 30 getöteten Ausländern ist auch ein Deutsch-Amerikaner, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Weitere deutsche Opfer gebe es nach derzeitigen Erkenntnissen nicht, sagte eine Sprecherin am Montag weiter. 14 Ausländer werden nach Angaben des Außenministeriums Sri Lankas noch vermisst.

Notstandsbestimmungen angekündigt

Die Regierung des Landes kündigte Notstandsbestimmungen an, die um Mitternacht in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) in Kraft treten sollten. Der Sicherheitsrat der Regierung habe beschlossen, dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zu erteilen, teilte das Büro des Staatspräsidenten Maithripala Sirisena am Montagabend mit.

Sirisena berief zudem ein dreiköpfiges Team ein, um die Anschlagsserie zu untersuchen. Das Team soll in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen. Die internationale Polizeiorganisation Interpol kündigte die Entsendung eines Expertenteams an. Es soll aus Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung bestehen.

Kabinettssprecher Rajitha Senaratne sagte, es habe vor den Attacken Hinweise auf Anschlagspläne gegeben. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert. "Wir tragen die Verantwortung, es tut uns sehr leid", sagte Senaratne im Namen der Regierung. "Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe von Menschen verübt wurden, die auf dieses Land begrenzt waren", sagte er außerdem. "Es gab ein internationales Netzwerk, ohne das diese Angriffe nicht gelungen wären."

24 Verdächtige festgenommen

Die Motive der Attentäter waren auch am Montag noch unklar. Nach Polizeiangaben wurden 24 Verdächtige festgenommen, die verhört würden. Islamistische Terrorangriffe hatte es bisher in dem tropischen Inselstaat nicht gegeben. Nur rund zehn Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Muslime. Etwa sieben Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Christen. Die Mehrheit der 20 Millionen Einwohner sind Buddhisten.

Premiermister Ranil Wickremesinghe erklärte, Sri Lanka wolle mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft möglichen Verbindungen der Attentäter ins Ausland auf den Grund gehen. Nach seinen Worten stammten alle Festgenommenen aus Sri Lanka. Dem Geheimdienst Sri Lankas hätten Hinweise auf einen möglichen Anschlag vorgelegen. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien.

Die Explosionen in drei Kirchen und drei Luxushotels hatten sich am Sonntagvormittag (Ortszeit) nahezu zeitgleich ereignet - sie wurden nach Angaben eines Forensikers des Verteidigungsministeriums von insgesamt sieben Selbstmordattentätern verübt. Ob sie zu den 290 Toten gezählt wurden, war am Montag noch unklar. In den Kirchen fanden zur Zeit der Explosionen gerade Ostergottesdienste statt. Dort gab es die meisten Opfer. Zu zwei späteren Detonationen in einem weiteren Hotel und einer Wohngegend in Vororten der Hauptstadt Colombo gab es zunächst keine näheren Angaben.

Weitere Sprengsätze entdeckt

Am Sonntagabend wurde in der Nähe des größten Flughafens der Insel, rund 30 Kilometer von Colombo entfernt, ein Sprengsatz gefunden und entschärft, wie ein Sprecher der Luftwaffe mitteilte. In der Nähe einer der betroffenen Kirchen wurde am Montag ein Sprengsatz in einem geparkten Auto gefunden. Bombenentschärfer sprengten das Fahrzeug in der Nähe der St.-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo, nachdem darin ein Sprengkörper entdeckt worden war, wie die Polizei mitteilte. An einem anderen Ort der Stadt seien an einer Bushaltestelle 87 Zünder sichergestellt worden.

Ein Mann wurde den Angaben zufolge in der Gegend um die Kirche festgenommen. Der Fund des Sprengsatzes und die Sprengung lösten in der Umgebung eine Panik aus, wie Videos in sozialen Medien zeigten. Zeugen berichteten auf Twitter zudem, dass die Polizei den Festgenommenen vor einer aufgebrachten Menge schützen musste.

Mehr als eine Woche vor der Anschlagsserie hatte die Polizei des Landes Hinweise auf mögliche Angriffe auf Kirchen. Vize-Polizeichef Priyalal Dissanayake verfasste am 11. April ein Schreiben, in dem er von Anschlagsplänen der National Thowheeth Jamaath auf katholische Kirchen sowie die indische Botschaft in Sri Lanka warnte. Namentlich genannte Verdächtige hätten nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im März im neuseeländischen Christchurch gegen andere Religionen gehetzt, hieß es.

Nächtliche Ausgangssperre verkündet

Der Kabinettssprecher bestätigte die Echtheit des an mehrere Polizeieinheiten adressierten Schreibens, das Telekommunikationsminister Harin Fernando auf Twitter veröffentlicht hatte. Premier Wickremesinghe sei aber nicht informiert worden.

Senaratne, der auch Gesundheitsminister ist, kritisierte das angespannte Verhältnis zwischen Wickremesinghe und den Sicherheitsdiensten unter Staatspräsident und Verteidigungsminister Sirisena. Sirisena hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen und ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt. "Dies ist das einzige Land, wo, wenn der Premierminister den Sicherheitsrat einberuft, sie (gemeint sind deren Mitglieder) nicht erscheinen", sage Senaratne.

Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene verkündete eine landesweite nächtliche Ausgangssperre. Zudem sperrte die Regierung nach seinen Angaben vorübergehend den Zugang zu sozialen Medien. Auch nach Ende der Sperre blieben die Schulen und Universitäten zunächst geschlossen.

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