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Merkel muss nicht weg

  • Veröffentlicht: 24.09.2017
  • 19:05 Uhr
  • dpa
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Die mächtigste Frau der Welt kann weiter regieren - fragt sich nur, mit wem. Dabei war «Merkel muss weg» doch eine der prägenden Wahlkampfparolen. Wutbürger haben nun eine kräftige Stimme im Parlament: Rechtsaußen-Politiker ziehen zweistellig ein.

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Ein verfrüht als SPD-Heilsbringer gehypter Herausforderer Martin Schulz und Hass-Attacken auf deutschen Marktplätzen haben Angela Merkel nicht aus der Ruhe gebracht. Doch die Entscheidung der Wähler lässt ihre Union wanken. Der triumphale Einzug der rechtskonservativen AfD ins Parlament ist ein Paukenschlag und Weckruf. Die CDU-Vorsitzende bleibt gleichwohl trotz starker Einbußen Bundeskanzlerin und kann nun bis 2021 die 16-jährige Regierungszeit von Helmut Kohl erreichen. Mit wem sie künftig regieren wird? Es könnte auf «Jamaika» hinauslaufen. Denn die am Boden zerstörte 20-Prozent-SPD will die rechnerisch ebenfalls mögliche große Koalition nicht mehr.

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WAGNIS ODER WEITER SO: Eine schwarz-gelb-grüne Koalition wäre im Bund etwas ganz Neues. Der Probelauf findet seit einigen Monaten in Schleswig-Holstein statt - bisher reibungslos. Für die geschrumpfte Ökopartei wäre die Stützrad-Funktion im Jamaika-Bündnis mit CDU/CSU und FDP eine riskante Sache - aber womöglich bleibt den Grünen im künftigen Sechs-Fraktionen-Parlament aus staatspolitischer Verantwortung nichts anderes übrig. Dabei ist ein solches erstes Dreier-Bündnis auf Bundesebene laut Umfragen den meisten Bürgern unsympathisch. Eine weitere große Koalition - die dritte seit 2005 - hat die schwer geschlagene SPD unmittelbar nach Schließung der Wahllokale abgelehnt. Sie will sich lieber außerhalb der Regierung erneuern und würde dann im Bundestag der starken AfD die Oppositionsführer-Rolle abnehmen.

VON DER FLÜCHTLINGS- ZUR FURCHTKRISE: Das satt zweistellige Ergebnis für eine Rechtsaußen-Partei ist eine Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte. Erstmals seit fast 60 Jahren sitzen nun Politiker mit offen rassistischen oder völkischen Weltbildern im Bundestag. Ermöglicht wurde das durch die Furcht vor überwiegend muslimischen Flüchtlingen und das ungelöste Integrationsproblem, vermischt mit der Sorge vor islamistischem Terror und Abstiegsängsten. Dieses Wahlkampfthema wischte sowohl konservative Behaglichkeits- und Sicherheitsversprechen vom Tisch als auch sozialdemokratischen Gerechtigkeitsappelle, es spielte der AfD in die Karten. Ergebnis: ein Rechtsruck wie noch nie zuvor, die Volksparteien äußerst schwach.

BRONZE GLÄNZT BESONDERS HELL: Wer gewinnt den Kampf um Platz drei - und macht sich damit entweder schick für eine Koalition mit Merkels Union oder aber für die Rolle des Oppositionsführers? Das war die spannendste Frage eines eher mauen Wahlkampfs. Nun wird es die AfD, mit der aber niemand koalieren will. Über ein Comeback jubeln kann die FDP - noch eine Partei also, die vor vier Jahren knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Dahinter knapp zurück bleiben Linke und Grüne, die seit 2013 als kleine Opposition der großen Koalition Kontra gegeben hatten. Rot-Rot-Grün, im Wahlkampfverlauf vollends verblasst, ist auch rechnerisch unmöglich.

SCHWARZ-ROT ABGESTRAFT: Viel mehr Kabinettsvorlegen als bei der schwarz-gelben Vorgängerregierung, 520 Gesetzentwürfe - die GroKo hat fleißig gearbeitet. Besonders die SPD reklamiert viele Erfolge für sich im Bündnis mit einer CDU-Kanzlerin, die viele ohnehin für eher sozialdemokratisch halten. Beim Wähler hat es nicht viel genutzt - er halfterte Schwarz-Rot mit zusammen nur rund 53 Prozent ab. Sowohl CDU/CSU als auch die im Frühjahr so hoffnungsvoll gestartete SPD von Martin Schulz müssen herbe Verluste verkraften. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren kamen alle drei zusammen auf 76 Prozent, vor vier Jahren auf 67. Der Rechtsdrall geht einher mit einer Krise der Volksparteien.

LIBERALE LEBEN NOCH: Das berühmte Totenglöckchen wurde nach dem Rauswurf der mitregierenden FDP aus dem Bundestag 2013 wieder mal zu früh geläutet. Aus den Trümmern einer abgewirtschafteten Klientelpartei formte die stark verjüngte Parteiführung um Christian Lindner einen neuen liberalen Markenkern. Weniger kalt, weniger schrill, weniger auf Regierungs-Dienstwagen fixiert - dafür mit mehr Demut und Prinzipien, wie Lindner immer wieder betont. Mal schauen, wie weit es trägt - in einer Regierung mit den ganz anders gestrickten Grünen unter der geübten Kleinmacherin Merkel. Oder am Ende doch in der Opposition gegen eine Not-GroKo.

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