Anzeige
Zweifel in den USA

Saudi-Arabien räumt Khashoggis Tod ein

  • Veröffentlicht: 20.10.2018
  • 08:00 Uhr
  • dpa
Article Image Media
© dpa

Mehr als zwei Wochen lang hatte Saudi-Arabien dementiert, nun gibt die Regierung dem immensen internationalen Druck nach: Der Journalist Jamal Khashoggi sei im Konsulat in Istanbul getötet worden. Es gibt schon einen ersten Schuldigen - und viele Zweifel.

Anzeige

Traurige Gewissheit: Mehr als zwei Wochen nach dem mysteriösen Verschwinden des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat Saudi-Arabien den Tod des Regimekritikers eingeräumt. Vorläufige Ergebnisse hätten gezeigt, dass es zwischen Khashoggi und mehreren Personen im Istanbuler Konsulat zu einem tödlichen Streit gekommen sei, berichtete die staatliche saudische Nachrichtenagentur Spa am späten Freitagabend. 18 saudische Staatsangehörige seien festgenommen worden, darunter auch der Vizechef des Geheimdienstes. Die Ermittlungen zu der "bedauerlichen und schmerzhaften" Entwicklung liefen.

Mit der Stellungnahme versucht die saudische Regierung offenbar, Kronprinz Mohammed bin Salman aus der Schusslinie zu nehmen. Eine Verbindung zu der Tat könnte dem 33-jährigen starken Mann des Wüstenstaates, der unter heftigem Druck steht, sehr schaden. Saudische oder den Saudis nahe stehende Medien berichteten unter Verweis auf Sicherheitskreise dann auch, der Thronfolger habe von einer Operation im Konsulat nichts gewusst.

Trump: "Haben einige Fragen"

US-Präsident Donald Trump begrüßte die Festnahmen in Saudi-Arabien, hält den Fall aber noch nicht für restlos aufgeklärt. "Es ist nur ein erster Schritt, aber es ist ein großer erster Schritt", sagte Trump am Freitagabend (Ortszeit) in Arizona. Trump wollte keine öffentlichen Zweifel an der offiziellen Darstellung Saudi-Arabiens zum Tod Khashoggis äußern, betonte aber auch: "Wir haben einige Fragen." Er wolle deshalb mit Kronprinz Mohammed bin Salman sprechen.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich "zutiefst beunruhigt" zum Tod Kashoggis und kondolierte der Familie des Journalisten. "Der Generalsekretär verweist auf die Notwendigkeit einer sofortigen, gründlichen und transparenten Untersuchung der Todesumstände", sagte sein Sprecher Stephane Dujarric. Zudem müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Warum das plötzliche Einlenken?

Der im US-Exil lebende Regierungskritiker Khashoggi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Er ist seitdem verschwunden. Türkische Regierungs- und Geheimdienstkreise streuten die These, dass Khashoggi im Konsulat getötet worden sei. Riad hatte diese Vorwürfe bis jetzt vehement bestritten. Der Journalist hatte auch Kolumnen für die "Washington Post" verfasst.

Spa zufolge war "der Verdächtige" - dessen Identität nicht aufgeklärt wird - nach Istanbul gereist, um Khashoggi zu treffen. Es habe Anzeichen gegeben, dass dieser möglicherweise zurück nach Saudi-Arabien zurückgehen werde. Das Treffen im Konsulat allerdings sei nicht "wie erwartet" verlaufen und endete in Khashoggis Tod. Die Täter hätten danach versucht, die Tötung zu vertuschen. Türkische Ermittler gehen von einem 15-köpfigen saudischen Spezialkommando aus, das für den Mord an dem dem Journalisten in die Türkei reise.

Zudem wurde nach Angaben von Spa der Vizepräsident des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri, auf Befehl des Königs von seinem Posten entbunden. Al-Asiri gilt als enger Vertrauter von Kronprinz Mohammed bin Salman. Es gab zuletzt Spekulationen, dass der General in einer vom Königshaus verbreiteten Version der Ereignisse als der Schuldige an der Tat dargestellt werden sollte. Auch ein weiterer enger Berater von Kronprinz Mohammed, der für Medien zuständige Saud bin Abdullah al-Kahtani, wurde vom König entlassen.

Al-Asiri nur ein Sündenbock?

Die "Washington Post" hatte vor einigen Tagen unter Berufung auf Geheimdienstquellen berichtet, Al-Asiri sei ein "möglicher Sündenbock". Er habe Thronfolger Mohammed in der Vergangenheit wiederholt vorgeschlagen, "etwas gegen Khashoggi und andere zu unternehmen". Spa zufolge wurden noch mindestens drei weitere hochrangige Geheimdienstmitarbeiter entlassen. Der Geheimdienst solle nun insgesamt neu aufgestellt werden - dieser Prozess solle vom Kronprinz selbst überwacht werden.

Das vage Eingeständnis aus Riad dürfte auch auf wachsenden Druck von US-Präsident Donald Trump zurückgehen, einem der wichtigsten Verbündeten des Königshauses. Trump hatte zuletzt eine "schwere Bestrafung" für den Fall angekündigt, dass Saudi-Arabien für den Tod Khashoggis verantwortlich sein sollte. US-Außenminister Mike Pompeo hatte in dieser Woche zudem sowohl Riad als auch Ankara besucht, um sich nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen.

Das Weiße Haus äußerte sich in einer ersten Stellungnahme nicht zu möglichen Konsequenzen für Saudi-Arabien. In einer Mitteilung hieß es am Freitagabend (Ortszeit): "Die Vereinigten Staaten nehmen die Mitteilung des Königreichs Saudi-Arabien zur Kenntnis, dass seine Ermittlungen zum Schicksal von Jamal Kashoggi voranschreiten und dass es gegen die bislang identifizierten Verdächtigen vorgeht."

Rigide Herrschaft des Kronprinzen

Der republikanische US-Senator Lindsay Graham meldete unterdessen Zweifel an der Darstellung an. "Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass ich der neuen saudischen Schilderung zum Tod Herrn Khashoggis skeptisch gegenüberstehe", teilte Graham auf Twitter mit. Der US-Kongressabgeordnete Eric Swalwell forderte Saudi-Arabien auf, den Verbleib der Leiche Khashoggis aufzuklären.

Saudi-Arabien hatte seine Gangart mit Kritikern in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Unter der rigiden Herrschaft von Kronprinz Mohammed bin Salman wurden zahlreiche Aktivisten, Kleriker, Geschäftsleute oder Frauenrechtler eingesperrt. Auch im Ausland verschwanden nach Medienberichten mindestens drei kritische Angehörige der Königsfamilie. Es gibt Hinweise darauf, dass sie ins Königreich verschleppt wurden.

Auch außenpolitisch tritt die Monarchie unter dem Thronfolger deutlich aggressiver auf. Er gilt unter anderem als Initiator der Blockade des Nachbaremirats Katar von 2017, der Festsetzung des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri vergangenes Jahr und der Eskalation im Jemen-Krieg mit Zehntausenden Toten.

Mehr Informationen
Tuerkei_Urlaub_dpa
News

Reisebüros glauben nicht an Türkei-Comeback

  • 05.06.2023
  • 12:10 Uhr

© 2024 Seven.One Entertainment Group