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Partnerschaft auf "absehbare Zeit unvorstellbar"

Scholz rechnet mit Eiszeit zwischen Berlin und Moskau

  • Veröffentlicht: 24.06.2022
  • 08:53 Uhr
  • dpa
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© dpa

Kanzler Scholz sieht unter Putin keine Möglichkeit auf gute Beziehungen zu Russland. Für die Ukraine fordert er Hilfen, wie sie einst schon einem anderen kriegszerstörten Land wieder auf die Beine geholfen haben.

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Deutschland und Russland werden nach Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine für lange Zeit politisch getrennte Wege gehen. Eine Partnerschaft mit dem "aggressiven, imperialistischen Russland" unter Präsident Wladimir Putin sei auf absehbare Zeit unvorstellbar, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag zu den anstehenden Gipfeltreffen der Europäischen Union, der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien und der Nato.

Zugleich warnte der Kanzler, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. "Es wäre unklug, unsererseits die Nato-Russland-Grundakte aufzukündigen", sagte er. Das würde Putin und dessen Propaganda nur in die Hände spielen. Die Grundakte bekräftige genau die Prinzipien, gegen die Putin so eklatant verstoße: Den Verzicht auf Gewalt, die Achtung von Grenzen, die Souveränität unabhängiger Staaten. Daran solle Putin immer wieder erinnert werden.

Scholz spricht von "Marshall-Plan" für die Ukraine

Für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine machte sich Scholz für einen "Marshall-Plan" stark. Die Eindrücke bei seinem Besuch in der Ukraine vergangene Woche hätten ihn an Bilder deutscher Städte nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. "Und wie damals das kriegszerstörte Europa braucht heute auch die Ukraine einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau", sagte Scholz. Um die Hilfe zu organisieren, will er im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eine internationale Expertenkonferenz einberufen. Mit dem Marshallplan hatten die USA zwischen 1948 und 1952 mit vielen Milliarden US-Dollar den Wiederaufbau in Deutschland und anderen europäischen Staaten finanziert.

Charles Michel plädierte dafür, sowohl der Ukraine als auch dem kleinen Nachbarn Moldau diesen Status zuzuerkennen. Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung des am Donnerstag beginnenden EU-Gipfels heißt es: "Der Europäische Rat hat beschlossen, der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines Kandidatenlandes zu verleihen." Damit würden die 27 Staats- und Regierungschefs, die sich bis Freitag in Brüssel treffen, der Empfehlung der EU-Kommission folgen.

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Ukraine will weitere Sanktionen gegen Moskau

Der ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte kurz vor der Entscheidung über den Status als Beitrittskandidatin weitere Sanktionen gegen Russland. "Russland muss den wachsenden Druck infolge des Kriegs und seiner aggressiven antieuropäischen Politik spüren", sagte er in seiner Videobotschaft in der Nacht zu Mittwoch.

Teile der ukrainischen Truppen könnten im stark umkämpften ostukrainischen Gebiet Luhansk bei den Orten Solote und Hirske von russischen Streitkräften eingeschlossen werden, hieß es in einem Bericht des ukrainischen Generalstabs. Nach Einschätzung britischer Experten erleiden die prorussischen Separatisten der Donezker Volksrepublik (DVR) in der Ost-Ukraine allerdings enorme Verluste. Die Truppen hätten seit Kriegsbeginn rund 55 Prozent ihrer ursprünglichen Kampfstärke verloren, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Selenskyj betonte, im Süden des Landes im Gebiet um die Stadt Cherson drängten ukrainische Truppen die Russen allmählich zurück.

In der ostukrainischen Region Charkiw seien durch russische Angriffe 14 Erwachsene und ein Kind getötet worden, teilte Gouverneur Oleh Synjehubow am Dienstag im Nachrichtendienst Telegram mit. 16 weitere wurden demnach verletzt. In der Region Donezk wurde nach Angaben von Gouverneur Pawel Kyrylenko ein Zivilist getötet, 19 weitere Menschen seien verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz warnte angesichts der russischen Angriffe vor der Gefahr eines Völkermordes.

Neue Bemühungen für Öffnung der Häfen für Getreideexporte

Im Streit um ukrainische Getreideexporte kamen am Dienstag in Moskau Militärvertreter Russlands und der Türkei zu Gesprächen zusammen. Dies berichteten das russische Verteidigungsministerium und die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu übereinstimmend. Als Resultat habe der türkische Frachter "Azov Concord" den unter russischer Kontrolle stehenden Hafen von Mariupol verlassen, hieß es. Nun solle ein Treffen zwischen ukrainischen und UN-Vertretern folgen, bevor "in den kommenden Wochen" dann alle vier Parteien in der Türkei zusammenkommen sollen, hieß es in dem türkischen Bericht ohne Nennung konkreter Quellen.

Blockierte Ausfuhren führen zu gefährlichen Versorgungsengpässen gerade in ärmeren Ländern. Nach russischen Angaben sitzen derzeit 70 Schiffe aus 16 Staaten in Schwarzmeer-Häfen fest.

Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen. Die Ukraine beklagt, dass ihre Häfen im Schwarzen Meer von der russischen Kriegsmarine blockiert werden. Beide Länder gehören zu den größten Weizenerzeugern und spielen eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit der Welt. Scholz forderte dringend eine Lösung. "Es kann nicht dabei bleiben, dass Millionen Tonnen in ukrainischen Speichern feststecken, obwohl sie weltweit dringend gebraucht werden", sagte er im Bundestag. 

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Scholz sagt östlichen Nato-Partnern Beistand zu

Angesichts des Streits zwischen Russland und Litauen wegen der Ostsee-Exklave Kaliningrad sicherte der Kanzler den östlichen Bündnispartner den vollen Beistand zu. "Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigen." Deutschland belasse es nicht bei Worten. Seit Kriegsbeginn seien zusätzliche Soldatinnen und Soldaten ins östliche Bündnisgebiet verlegt worden. 

Litauen hat seit Samstag den Bahntransit von einigen Waren wie Baumaterialien und Metallen, die auf westlichen Sanktionslisten stehen, über sein Territorium in das Gebiet um das frühere Königsberg gestoppt. Russland kritisierte das erneut scharf. Man werde nicht näher bezeichnete "praktische" Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

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