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Seit fast einem Jahr im Gefängnis

Yücel lehnt "schmutzige Deals" für seine Freilassung ab

  • Veröffentlicht: 17.01.2018
  • 11:00 Uhr
  • dpa
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Die Bundesregierung fordert die Entlassung von Deniz Yücel aus der Haft in der Türkei und hat Rüstungsexporte an den Nato-Partner eingeschränkt. Der Journalist sagt nun, er wolle auf keinen Fall mit Hilfe "schmutziger Deals" freikommen.

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Der seit elf Monaten in der Türkei inhaftierte «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel lehnt einen etwaigen Tauschhandel zwischen Berlin und Ankara für seine Freilassung ab. «Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung», sagte Yücel in einem schriftlich über seine Anwälte geführten Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er wolle seine Freiheit nicht «mit Panzergeschäften von Rheinmetall oder dem Treiben irgendwelcher anderen Waffenbrüder befleckt wissen». Auch wolle er keinen etwaigen Austausch mit Anhängern der Gülen-Bewegung, nach denen die Türkei fahndet.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte dem «Spiegel» kürzlich gesagt, die Türkei sei zwar Nato-Partner. «Trotzdem hat die Bundesregierung eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist.» Gabriel betonte danach allerdings, er habe damit nicht gemeint, dass die Bundesregierung Rüstungslieferungen als Reaktion auf eine Freilassung Yücels genehmigen würde. «Ich habe keinesfalls die beiden Dinge miteinander verbunden», sagte er. Der Fall Yücel ist der größte Streitpunkt im angespannten Verhältnis mit Ankara.

Isolationshaft ist Folter

Yücel sagte, es gehe ihm gut. Seine Isolationshaft - «eine Foltermethode» - sei zwar nicht aufgehoben, aber aufgelockert worden. «Dafür gibt es an anderer Seite eine Verschlechterung: Meine Frau Dilek kann ich, im besten Fall, für eine Stunde im Monat ohne Trennscheibe sprechen. Zuvor wurden wir dabei nur von außen beobachtet. Doch neuerdings sitzt ein Vollzugsbeamter im Raum.» Zur Frage, warum es immer noch keine Anklageschrift gegen ihn gebe, sagte der deutsch-türkische Journalist: «Entweder die Staatsanwaltschaft hat mich vergessen. Oder sie hat noch keine Anweisung dazu erhalten.»

Yücel fügte mit Blick auf die von der türkische Regierung stets ins Feld geführte Unabhängigkeit der Justiz hinzu: «Es ist eine Lüge, dass die türkische Regierung in meinem Fall und im Fall vieler türkischer Kollegen bloß interessierter Beobachter sei.» Das Justizministerium habe sich in Stellungnahmen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie ans türkische Verfassungsgericht den Vorwürfen aus dem Hafturteil gegen Yücel angeschlossen. «Die Regierung ist kein Zuschauer, sie ist Partei, auch ganz offiziell.»

Yücel äußerte sich auch zu einem kürzlich erlassenen Notstandsdekret, wonach Untersuchungshäftlinge, die wegen Terror- oder Putschvorwürfen angeklagt sind, demnächst in Gefangenenuniform vor Gericht erscheinen sollen. «Was mit dieser Maßnahme bezweckt wird, ist glasklar: Öffentliche Demütigung und Vorverurteilung. Mir ist persönlich egal, wie irgendwelche putschistischen Ex-Offiziere darauf reagieren», sagte er. «Aber ich werde diese Uniformen garantiert nicht anziehen.»

Yücel dankbar für Unterstützung

Der Journalist dankte für die Solidarität, die seine Inhaftierung ausgelöst hat. Er sei «allen sehr dankbar», die ihm die Sorge genommen hätten, im Gefängnis in Vergessenheit zu geraten. Ausdrücklich nannte er die «Welt», den Axel-Springer-Verlag, den Freundeskreis #FreeDeniz und Kollegen aus anderen Redaktionen. «Und ganz besonders dankbar bin ich den vielen Menschen, die mir schreiben, selbst wenn mir nur wenige Briefe zugestellt werden.»

Yücel (44) war am 14. Februar 2017 in Istanbul festgenommen worden. Am 27. Februar wurde wegen des Verdachts der «Terrorpropaganda» und der «Aufwiegelung der Bevölkerung» Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. Seitdem sitzt er ohne Anklage im Gefängnis in Silivri westlich von Istanbul. Die Bundesregierung fordert seine Freilassung.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte vergangene Woche betont: «Deniz Yücel ist kein politisch motivierter Fall.» Der Streit um den Journalisten «vergiftet unsere Beziehungen», er könne sich aber deswegen nicht in die Angelegenheiten der unabhängigen Justiz einmischen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücelvorgeworfen, ein «deutscher Agent» und ein «Terrorist» zu sein.

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