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Fußball im Krisenland Venezuela

Hungerlöhne und Stadien ohne Strom

  • Veröffentlicht: 20.03.2019
  • 10:09 Uhr
  • dpa
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Die Krise in Venezuela macht vor dem Sport nicht Halt. Selbst den Profis fehlt es am nötigsten. Zudem könnte der Machtkampf zwischen Staatschef Maduro und Widersacher Guaidó auch in der Fußballwelt zu Konflikten führen. Erste Spieler haben sich schon positioniert.

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Der Anpfiff hallt durch das Stadion José Encarnación Romero in Maracaibo, und es passiert - praktisch gar nichts. Lustlos schlägt ein Spieler den Ball in die eigene Hälfte und schlendert zu seinen Mannschaftskollegen. Auch auf der anderen Seite: totale Arbeitsverweigerung. Die Fußballer laufen umher, unterhalten sich, trotten schließlich zur Ersatzbank.

Mit ihrer Aktion bei der Erstliga-Begegnung zwischen Caracas und Zulia protestierten die Spieler am Sonntag vor eineinhalb Wochen gegen den massiven Stromausfall, der Venezuela tagelang lahmlegte. In den Kabinen gab es weder Licht noch Wasser, doch der venezolanische Fußballverband weigerte sich, den Spieltag offiziell abzusagen. Da traten die Spieler in den Bummelstreik.

Krise erreicht den Fußball

Die momentane politische und wirtschaftliche Krise in Venezuela wirkt sich zunehmend auch auf den Fußball in dem südamerikanischen Land aus. Die Zuschauerränge bleiben leer, die Spielergehälter reichen kaum zum Überleben, die Stadien verfallen.

Am Freitag trifft die venezolanische Nationalmannschaft in Madrid auf das wieder von Superstar Lionel Messi verstärkte argentinische Nationalteam. Am 25. März spielt die "Vinotinto" ("Weinrote") dann in Girona gegen eine katalanische Auswahl.
Die Tour durch Spanien dürfte für die Spieler auch eine Auszeit von der Krise in der Heimat sein. Seit Wochen liefern sich Staatschef Nicolás Maduro und der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó einen erbitterten Machtkampf, der jederzeit eskalieren könnte.

Geld reicht nicht zum Leben

Zudem leidet Venezuela unter einer schweren Wirtschaftskrise. Wegen fehlender Devisen kann das südamerikanische Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Für das laufende Jahr rechnet der Internationale Währungsfonds mit einer Inflationsrate von zehn Millionen Prozent und einem Rückgang der Wirtschaftskraft um fünf Prozent. Mehr als drei Millionen Venezolaner haben ihre Heimat bereits verlassen.

"Viele Fußballer in Venezuela verdienen so wenig, dass es nicht zum Leben reicht", erzählte der venezolanische Stürmer Anthony Uribe vom argentinischen Club CA Belgrano kürzlich der Zeitung "El Intransigente". "Als Sportler hat man ja nicht direkt mit der Politik zu tun, aber die Situation hat auch Einfluss auf den Sport, das Soziale, die Wirtschaft."

Spieler mit zwei, drei Jahren Profi-Erfahrung verdienen 300 bis 400 US-Dollar, wie der kolumbianische Trainer Wilson Gutiérrez vom FC Carabobo der Zeitung "El Espectador" sagte. Andere bekommen nur 80 bis 100 Dollar oder werden gleich in praktisch wertlosen Bolivares bezahlt.

Fußballer mischen sich ein

Fußball ist im Baseballland Venezuela ohnehin eine Randsportart. Die Vinotinto" ist die einzige südamerikanische Nationalmannschaft, die sich noch nie für eine Weltmeisterschaft qualifiziert hat. Trotz der Krise im Land arbeitete sich die Auswahl zuletzt in der FIFA-Weltrangliste vor. Derzeit steht Venezuela immerhin auf dem 32. Platz. Die U-20-Nationalmannschaft ist sogar Vizeweltmeister.

Der sich verschärfende Konflikt zwischen Maduro und seinem Widersacher Guaidó könnte nun auch für Gräben im venezolanischen Fußball sorgen. Nationaltrainer Rafael Dudamel und mehrere Spieler wie der Ex-HSV-Profi Tomás Rincón, Salomón Rondón, Jhon Chancellor und Josef Martínez haben bereits öffentlich die sozialistische Regierung von Präsident Maduro kritisiert. Der venezolanische Fußballverband FVF hingegen rief seine Funktionäre und Spieler dazu auf, sich aus der politischen Debatte herauszuhalten.

"Die Krise in Venezuela hat Auswirkungen auf den Fußball, weil der Strom ausfällt, wir kein Wasser zum Duschen haben, es kein Eis zum Abkühlen gibt", erzählte Erickson Gallardo vom FC Zamora zuletzt dem chilenischen Radiosender Bio Bio. "Es ist schwer zu ertragen, was in dem Land passiert. Als Spieler willst du das nicht mit auf den Platz nehmen. Aber es hat einen Effekt auf dich. Du denkst daran, ob deine Familie zu essen und Strom hat. Das lenkt ab."

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