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Auswirkungen von Kurzarbeit auf die Urlaubstage

Im Corona-Lockdown: Weniger Urlaub bei Kurzarbeit?

  • Veröffentlicht: 30.11.2021
  • 15:52 Uhr
  • dpa
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© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Eigentlich ein kleiner Arbeitsgerichtsfall: Eine Verkäuferin aus Essen ging es um 2,5 Urlaubstage mehr. Doch der Fall schaffte es in die höchste Instanz - mit enormen Auswirkungen.

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Den Präzedenzfall lieferte eine Verkäuferin aus Nordrhein-Westfalen, die Entscheidung kann die Urlaubsplanung von Zehntausenden Kurzarbeitern in der Corona-Krise im kommenden Jahr beeinflussen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat am Dienstag die strittige Frage beantwortet, ob bei der sogenannten Kurzarbeit Null mit Tagen oder Wochen ohne Arbeitspflicht der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern anteilig gekürzt werden kann. Es fiel ein Grundsatzurteil.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter haben die Frage, ob Arbeitgeber bei vereinbarter Kurzarbeit Null und damit oft langen Phasen ohne Arbeitspflicht den Urlaub ihrer Beschäftigten anteilig kürzen dürfen, mit Ja beantwortet. Urlaubskürzungen bei Kurzarbeit Null sind damit jetzt rechtens. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte argumentiert, durch Kurzarbeit würden "Beschäftigte eben keine planbare Freizeit erhalten". DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sprach nach dem Urteil von einem "bitteren Tag für viele Beschäftigte". Die Entscheidung wälze die Lasten der Pandemie auf die Arbeitnehmer ab.

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Warum ist von einem Grundsatzurteil die Rede?

"Das Bundesarbeitsgericht kann eine rechtliche Lücke schließen", sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. Der Vorsitzende Richter Heinrich Kiel sagte in der Verhandlung, "unser Problem ist explizit im Bundesurlaubsgesetz nicht geregelt". Entsprechend unterschiedlich wurde in der Industrie, im Handel, im Gastgewerbe oder im Handwerk während der Lockdown-Phasen verfahren. Nun könnte der Richterspruch die Urlaubsplanung Zehntausender Kurzarbeiter beeinflussen. "Die praktischen Auswirkungen sind angesichts der hohen Zahl an Kurzarbeitern in der Corona-Krise enorm", so Thüsing.

Wer hat vor dem Bundesarbeitsgericht geklagt?

Eine 49 Jahre alte Verkäuferin aus Essen lieferte den Präzedenzfall. Ihr ging es um 2,5 Urlaubstage mehr. Statt der 14 Tage, die ihr als Verkaufshilfe bei drei Arbeitstagen wöchentlich zustanden, hatte sie wegen monatelanger Kurzarbeit Null im vergangenen Jahr nur 11,5 Tage bekommen. Ihre Klage wurde vom Rechtsschutz des DGB unterstützt.

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Wie ist die bisherige Rechtsprechung zu Urlaubskürzungen?

Die Vorinstanzen in Essen und Düsseldorf wiesen die Klage der Verkäuferin ab, ließen wegen ihrer Bedeutung die Revision beim Bundesarbeitsgericht zu. "Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen", urteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf - und wurde von den Bundesarbeitsrichtern jetzt bestätigt.

Die Gerichte sahen sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das Bundesarbeitsgericht hatte seit 2019 in anderen Fragen einen verringerten Urlaubsanspruch bejaht - bei unbezahltem Sonderurlaub oder Altersteilzeitmodellen. Es setzte jetzt bei Kurzarbeit seine Linie fort, dass sich der Urlaubsanspruch an den tatsächlich geleisteten Arbeitstagen bemessen sollte.

Gibt es noch viel Kurzarbeit aktuell?

Ja, nach den Zahlen der Bundesarbeitsagentur steigen die Anmeldungen für Kurzarbeit stetig. Allein zwischen dem 1. und 24. November gab es danach 104.000 Anmeldungen für Kurzarbeit bundesweit - rund 10.000 mehr als im Oktober. Angesichts der Wucht der vierten Corona-Welle hat das Bundesarbeitsministerium gerade den erleichterten Zugang zu Kurzarbeit bis zum 31. März 2022 verlängert.

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Wie ist die Praxis in Deutschland? Streichen die Firmen ihren Mitarbeitern Urlaub bei Kurzarbeit Null?

Selten - ergab zumindest eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Das Institut fand in seiner im Herbst veröffentlichten Untersuchung heraus, dass bei einer Stichprobe in diesem Jahr im Schnitt nur jeder neunte Betrieb Urlaubstage seiner kurzarbeitenden Mitarbeiter strich. Das galt vor allem für größere Unternehmen mit hohem Arbeitsanfall. "Das sind die Unternehmen, die die meiste Routine mit Kurzarbeit haben", äußerte Studienautor Enzo Weber. Das BAG-Urteil hat laut Arbeitsrechtler Thüsing keinen Einfluss auf bereits genommenen Urlaub. Unternehmen können, müssen laut Gericht bei Kurzarbeit Null Urlaub aber nicht neu berechnen und kürzen.

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