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Nur langsame Fortschritte

Kampf gegen das Kükentöten

  • Veröffentlicht: 19.04.2019
  • 07:38 Uhr
  • dpa
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© picture alliance

Mehr als 40 Millionen männliche Küken werden in Deutschland jährlich am ersten Lebenstag vergast, weil sich ihre Aufzucht nicht lohnt. Das zu ändern, erweist sich trotz aller Bemühungen des Handels als mühsam. Tierschützer sehen vor allem einen Weg zum Ziel.

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Der Kampf gegen das millionenfache Kükentöten in deutschen Brütereien kommt nur langsam voran. Auch knapp ein halbes Jahr nach der Vorstellung einer neuen Methode zur Geschlechtsbestimmung im Ei, die das Töten von Eintagsküken verhindern soll, sind nur in wenigen hundert Läden derartige Eier im Angebot, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den großen deutschen Lebensmittelhändlern ergab. Gleichzeitig stößt die eingesetzte Methode beim Deutschen Tierschutzbund auf erhebliche Bedenken.

Das Problem: Jedes Jahr werden in Deutschland bei der Aufzucht von Legehennen mehr als 40 Millionen männliche Küken am ersten Lebenstag vergast. Denn ihre Aufzucht ist unwirtschaftlich - sie legen keine Eier und setzen nur schlecht Fleisch an. Um dem ein Ende zu machen, förderte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit Millionen Euro neue Technologien zur Früherkennung des Geschlechts von Küken. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hofft, dass die Technologie im Ei allen Brütereien in Deutschland im kommenden Jahr zur Verfügung steht. Doch noch ist das Zukunftsmusik.

Vorreiter ist die Kölner Rewe-Gruppe

Vorreiter im Handel bei diesem Thema ist die Kölner Rewe-Gruppe. Bereits im November vergangenen Jahres brachte Rewe die ersten "Eier ohne Kükentötung" auf den Markt. Für die Geschlechtsbestimmung wird hier mit einem Laser ein winziges Loch in die Schale gebrannt. So kann dem Ei Flüssigkeit entnommen und auf Geschlechtshormone getestet werden. Ausgebrütet werden dann nur noch Eier, aus denen Hennen schlüpfen. Die übrigen Eier werden zu Tierfutter verarbeitet.

"Seit dem Start in Berlin im November haben wir die Anzahl der belieferten Rewe- und Penny-Märkte von 230 auf mehr als 380 erhöht", berichtet Rewe. Die Seleggt-Brüterei in den Niederlanden arbeite auf Hochtouren, um die große Nachfrage "annähernd bedienen zu können". Ab Juni werde das Eierangebot Woche für Woche stark zunehmen. Bis Ende des Jahres sollen in allen Rewe- und Penny-Märkten "Eier ohne Kükentöten" verkauft werden.

Bei Tierschützern ist die von Rewe eingesetzte Methode allerdings umstritten. Zwar betont Rewe, zum Zeitpunkt der Weiterverarbeitung der Eier zu Tierfutter hätten die Hühnerembryos noch kein Schmerzempfinden. Der Deutsche Tierschutzbund hält das jedoch für zweifelhaft. Er verweist auf einen Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, wonach ein Schmerzempfinden der Embryonen zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne.

Fazit der Tierschützer: "Wenn das Küken im Ei bereits Schmerz empfinden kann, [...], macht es keinen großen Unterschied, ob das Tier vor oder nach dem Schlupf getötet wird." Die Tierschützer lehnen deshalb die Rewe-Methode ab und dringen darauf, eine andere Technik zügig weiterzuentwickeln, die bereits deutlich schneller nach Brutbeginn Auskunft über das Geschlecht der Embryonen gibt.

Andere Handelsketten sind bei der Anwendung der Geschlechtsbestimmung im Ei bislang denn auch deutlich zurückhaltender als Rewe. Aldi Nord etwa betont auf Anfrage, man verfolge die neuen Entwicklungen in diesem Bereich sehr aufmerksam und bekenne sich zum Ausstieg aus der Kükentötung mit praxistauglichen Alternativen. Aber: "Aktuell existiert noch keine marktreife und zugleich breitenwirksame Lösung." Ähnlich argumentiert das Schwesterunternehmen Aldi Süd.

Lidl: "An einer Branchenlösung interessiert"

Auch Edeka begrüßt "jede Forschung, die das Töten von Eintagsküken verhindert". Noch befinde sich die Methode zur Geschlechtsbestimmung im Ei aber in der Entwicklung. Lidl betont, man sei "an einer Branchenlösung interessiert".

Alternativ bieten alle großen Handelsketten - egal ob Edeka, Rewe, Aldi oder Lidl - teils flächendeckend, teils nur in einzelnen Regionen - Eier aus sogenannten Bruderhahnprojekten an. Hier werden nicht nur die Legehennen, sondern auch ihre Brüder - als Masthähne - aufgezogen. Das ist eigentlich unüblich, weil unrentabel. Denn die Brüder der Legehennen setzen bei der Aufzucht längst nicht so viel Fleisch an wie speziell dafür gezüchtete Rassen.

Annähernd eine Million Bruderhähne sei allein im Rahmen derartiger Rewe-Programme mittlerweile aufgezogen worden, berichtet der Handelsriese. Das klingt viel, ist es aber nicht. Letztlich hätten die Bruderhahn-Projekte "einen verschwindend geringen Anteil am gesamten Eiermarkt", heißt es beim Tierschutzbund.

In den Augen der Tierschützer sind Maßnahmen wie die Geschlechterbestimmung im Ei oder die Aufzucht der Bruderhähne ohnehin nur ein Herumkurieren an den Symptomen eines "kaputten Systems". Anstelle der überzüchteten Legehühner und Masthähnchen müssten in den Ställen wieder sogenannte Zweinutzungshühner Einzug halten, fordern sie. Bei diesen Rassen dienen die weiblichen Tiere als Legehennen, die männlichen werden für die Fleischproduktion genutzt. Dies verbessere auch das Leben der Tiere, da die Zweinutzungshühner, "nicht die zuchtbedingten Probleme wie auf hohe Lege- und Mastleistung gezüchtete Tiere aufweisen".

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