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Bauprojekte in Verzögerung

Verzögerung bei Tesla-Fabrik - Wirtschaft für schnellere Großprojekte

  • Veröffentlicht: 20.02.2020
  • 18:50 Uhr
  • dpa
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© dpa

Mauereidechsen, Juchtenkäfer, die Kleine Hufeisennase und der Schierlingswasserfenchel haben in Deutschland schon Bauprojekte verzögert. Nun stocken Waldrodungen für eine Tesla-Fabrik - aus Umweltbedenken. Die Wirtschaft fordert ein Umsteuern.

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Angesichts stockender Großprojekte wie derzeit der Tesla-Fabrik in Brandenburg fordern Wirtschaftsverbände und Ökonomen schnellere Prozesse in Deutschland. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) moniert einen zu langen Vorlauf für Ansiedlungen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fordert mehr Mut. Aus der Politik werden Stimmen lauter, Klagemöglichkeiten etwa von Umweltverbänden zu begrenzen.

"Plan- und Genehmigungsverfahren für Unternehmensansiedlungen in Deutschland dauern abschreckend lange", meint Achim Dercks, Vize-Hauptgeschäftsführer des DIHK. "Vor allem bestehen die Planverfahren aus zu vielen Stufen. Zu oft machen Unternehmen die Erfahrung, dass die Komplexität der Verfahren es leicht macht, einzelne Projekte gezielt zu verhindern."

Nach dem Rodungsstopp auf dem Gelände für die geplante Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin ist die Debatte um Verzögerungen bei Bauvorhaben hochgekocht. Es ist nicht das erste Mal, dass Umweltschützer mit Verweis auf seltene Tiere und Pflanzen Projekte verzögern. Die Fledermausart Kleine Hufeisennase stoppte in Dresden zeitweise den Bau der Waldschlösschenbrücke über das Elbtal.

Verzögerung der Umwelt zuliebe

Der Elbvertiefung in Hamburg stand die Umsiedelung der Sumpfpflanze Schierlingswasserfenchel im Weg, für den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels unter der Ostsee mussten Molche und Frösche eine neue Heimat finden. Der Bau des Bahnhofs Stuttgart 21 verzögerte sich wegen der Rettung des Juchtenkäfers. Dazu kommen lange Genehmigungen, misslungene Planungen und Baufehler, die Kosten für Projekte wie den Flughafen BER oder die Elbphilharmonie treiben - samt jahrelanger Verspätung.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatte die Waldrodung nach einer Beschwerde des Umweltverbands Grüne Liga Brandenburg vorerst untersagt. Es will nach eigenen Angaben bis Ende dieser Woche, spätestens aber Anfang nächster Woche entscheiden, ob auf dem Gelände weiter Bäume gefällt werden dürfen oder nicht. Bis zum Donnerstag gingen immer noch Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten ein, wie ein Sprecher der Behörde sagte. In jedem Fall werde das Gericht noch vor dem 1. März einen Beschluss fassen. Wegen des Beginns der Vegetationsperiode soll die Rodung auf dem Gelände bis Ende Februar abgeschlossen sein.

Das Landesumweltamt hatte den vorzeitigen Beginn des Bäumefällens gebilligt, die Genehmigung für den Bau der Fabrik steht noch aus. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei, dürften keine Tatsachen geschaffen werden und keine rückgängig zu machenden Beschädigungen der Natur, meint die Grüne Liga. Ein längerer Stopp könnte den Zeitplan für die Elektro-Autofabrik gefährden.

Komplexere Verfahren

IW-Direktor Michael Hüther erklärte, Verzögerungen ließen sich etwa mit digitalisierten Verfahren, eingeschränkten Klagerechten für Verbände und Prämien für Verwaltungsangestellte und Baufirmen verhindern. Zwar gebe es im Planungsrecht Fortschritte, doch es brauche auch Mut in der Umsetzung. "Beschäftigte in den Verwaltungen profitieren meist nicht von einer Beschleunigung, müssen aber mit Sanktionen rechnen, wenn wider Erwarten eine Genehmigung ausbleibt und begonnene Maßnahmen zurückgebaut werden müssen." Prämiensysteme in Behörden könnten Anreize für schnellere Verfahren schaffen.

Doch nicht nur Verfahren seien komplexer geworden, auch in der Verwaltung seien viele Stellen abgebaut worden, sagte Hüther. Denkbar seien auch mehr Anreize für Firmen, um die Bauzeit kurz zu halten. "In anderen Ländern gibt es beispielsweise Prämien für ausführende Unternehmen, wenn Projekte vorzeitig fertig werden", berichtet er.

Laut dem Industrieverband BDI hat sich die Verfahrensdauer in Deutschland den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Bis ein Mobilfunkmast in Deutschland genehmigt werde, dauere es im Schnitt 18 Monate, im Ausland liege der Wert bei vier bis sechs Monaten. "Es muss aufhören, dass Partikularinteressen für die Allgemeinheit wichtige Investitionen teils über zehn oder 20 Jahre verzögern können", forderte BDI-Präsident Dieter Kempf.

Klagerecht einschränken

Die Union will das Klagerecht für Umweltverbände einschränken. "Jedes neue Projekt wird inzwischen beklagt und infrage gestellt", sagte der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann. Nur Umweltverbände sollten klagen dürfen, wenn die Belange des Verbands betroffen seien oder es keine Beteiligung im Genehmigungsverfahren gegeben habe. Ein Papier mit diesem Vorschlag hatte die Union allerdings schon im vergangenen Herbst vorgelegt.

Der Vorsitzende der Grünen Liga Brandenburg, Heinz-Herwig Mascher, wehrt sich. Klagerechte der Verbände seien von EU-Recht gedeckt. "Wir überlegen sehr genau, in welche Prozesse wir einsteigen", betonte Mascher. "Es geht uns darum, dass das Verfahren rechtmäßig abläuft."

Der Mitgründer von Europas größtem Softwarehersteller SAP, Hasso Plattner, betonte die Bedeutung der geplanten Ansiedlung des US-Elektroautoherstellers Tesla in Grünheide. "Das ist ein richtiger Fertigungsbetrieb, der ist wichtig für Brandenburg", sagte Plattner den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" (Donnerstag/online). "Es kann sich offenbar einfach kaum einer vorstellen, dass Elon Musk da tatsächlich in anderthalb Jahren die Fabrik hinbaut."

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