Der TV-Richter blickt auf eine erfolgreiche Zeit zurück
10 Jahre Hold: Richter Alexander Hold im Interview
Zehn Jahre „Richter Alexander Hold“ – wie würden Sie diese Zeit in drei Begriffen zusammenfassen?
2600 Angeklagte – 10 Milliarden Zuschauer – Eine Robe
Was hält Sie seit zehn Jahren im TV-Gerichtssaal?
Ich finde es spannend wie am ersten Tag, den Zuschauer zu unterhalten und ihm dabei das Streben nach Recht und Gerechtigkeit und so manches ernste Thema ganz beiläufig und in einer - unter Juristen leider nicht üblichen – verständlichen Sprache näher zu bringen.
Kritiker behaupten, TV-Gerichtsshows tragen zum Sittenverfall im Prozesssaal bei…was glauben Sie?
Das ist eigentlich eine Beleidigung aller Kollegen, die Tag für Tag einen hervorragenden Job im Gerichtssaal machen: Niemand sollte glauben, dass ein Richter nicht mehr in der Lage ist, für Ordnung in seinem Sitzungssaal zu sorgen, nur weil seine Zeugen „Richter Alexander Hold“ geschaut haben. Man unterschätzt auch die Menschen, wenn man glaubt, dass sie nicht zwischen dem im Fernsehen Gesehenen und ihrem eigenen Prozess unterscheiden können. Es gibt sogar eine wissenschaftliche Arbeit, die das belegt. Dass sich in den letzten Jahrzehnten manches im Verhalten vieler Menschen geändert hat, steht außer Frage. Das ist aber kein spezifisches Problem der Justiz. Fragen Sie doch mal einen Lehrer zum Sittenverfall im Klassenzimmer!
Haben sich die TV-Fälle im Laufe der Zeit verändert?
Als es aufgrund des großen Erfolges irgendwann sechs Gerichtsshows im deutschen Fernsehen gab, entstand natürlich fast zwangsläufig der Druck zu spektakuläreren Fällen. Interessanterweise haben sich die Formate umso schneller abgenutzt, je skurriler die Fälle, je lauter die die Zeugen und je kürzer die Röcke wurden. Ich habe immer versucht, das Juristische nicht aus den Augen zu verlieren und dem Zuschauer auch anhand weniger spektakulärer Fälle gesellschaftlich relevante Themen nahe zu bringen. Und siehe da: Richter Alexander Hold ist übrig geblieben. Interessanterweise hatten wir im ersten Jahr sicherlich alle 10 Tage ein Sexualdelikt verhandelt und heute höchstens noch drei oder vier mal im Jahr – und die Zuschauer schalten trotzdem ein.
Gibt es Urteile, die Sie heute revidieren würden?
Meine TV-Urteile sind bisher alle rechtskräftig geworden! Im Ernst: Auch bei der Justiz sollte man von seinen Urteilen schon überzeugt sein, wenn man danach ruhig schlafen will. Genauso wichtig ist aber das Bewusstsein, dass man nicht immer richtig liegen kann. Und es gibt immer Entscheidungen, die man gern ungeschehen machen würde: So zum Beispiel die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls drei Tage vor Weihnachten, mit der ich einem Familienvater ermöglichen wollte, unterm Christbaum mit seinen Kindern zu feiern. Am 23.12. hat er sich dann den „goldenen Schuss“ gesetzt.
Sehen Sie sich als Unterhalter oder Aufklärer?
Es wäre natürlich sehr übertrieben, zu behaupten, ich mache Bildungsfernsehen. Meine Sendung soll ja keine juristische Vorlesung sein, sondern in erster Linie spannende Unterhaltung. Aber immer wieder geht es dann doch um ernste Themen, die mich bewegen, von der Organspende bis zum Verbot der Androhung von Folter. Und die Rückmeldungen der Zuschauer bestätigen mir dann, dass ich dort Diskussionen in Gang gesetzt habe. Mein Lieblingsthema ist und bleibt aber das differenzierte Eingehen auf jeden Menschen, ob Täter oder Opfer, anstatt der in den Medien leider beliebten Schwarz-Weiß-Malerei.
Gibt es einen Fall, der Ihnen in den letzten zehn Jahren in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Als ich den allerersten Fall las, kamen mir Zweifel, ob die Entscheidung für dieses Projekt richtig war. Da hatte ein junges Pärchen - um einen ungestörten Abend in der Disco verbringen zu können - sein Baby in ein Bahnhofsschließfach gesperrt. Ich fand den Fall arg konstruiert und unglaubwürdig. Da zeigte mir meine Redaktion den Zeitungsausschnitt: Der Fall war tatsächlich genau so passiert. Seitdem weiß ich: Das echte Leben ist skurriler und abstoßender als es des Fernsehen je sein könnte.
…der skurrilste Produktionstag?
…vielleicht der, an dem ich mit Staatsanwalt und Verteidiger nach Drehschluss noch ums Eck eine Kleinigkeit essen ging. Als wir dann mitten in der Nacht unsere Autos holen wollten, sind wir ganz unbürokratisch über den Zaun des Studiogeländes, leider ohne zu bedenken, dass wir dadurch einen Großalarm auslösten. Die Bilder der Überwachungsvideos sind legendär… .
…die unglaublichste Fanpost/Fan-Anfrage?
Ich bin nach wie vor gerührt, wenn mich Fanpost aus fernen Ländern erreicht. Südafrika, Australien, Neuseeland waren schon einige Male dabei. Und schon mehrfach stand da zu meinem Erstaunen, dass meine Sendung als Hilfe beim Deutsch lernen diene.
Können Sie sich eine Rückkehr ins Berufsleben vorstellen?
Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass ich nicht im Berufsleben stehe! Mein Schreibtisch ist voller Akten, Gesetzestexte und Kommentare und täglich überlege ich mir ein Urteil. Aber wenn die Frage auf eine Rückkehr in die Justiz zielt: Ich liebe diesen Beruf und ohne das Wohlwollen und die Zusage des Justizministeriums, dass ich wieder zurück kommen kann, hätte ich das Abenteuer Fernsehen gar nicht gewagt.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren privat bei Ihnen getan?
Oh, da hat sich Entscheidendes getan: Nach sieben Jahren Bewährung haben meine Frau Michaela und ich uns im Jahr 2000 für „lebenslänglich“ entschieden und inzwischen wachsen mit unseren Söhnen Constantin (5) und Matteo (2) zwei wunderbare kleine Holds nach.
Wie streng ist „Richter Alexander Hold“ als Vater?
Zuhause bin ich ganz sicher zu milde und eher nachgiebig und kann kaum je Nein sagen. Und ich versuche, genauso geduldig zuzuhören wie im Gerichtssaal. Der Unterschied liegt darin, dass ich zuhause meist gar nicht dazu komme, Fragen zu stellen…
Wie gehen Sie mit Ihrer Popularität um?
Ich denke, ich bin ziemlich geerdet und versuche, möglichst so normal weiter zu leben wie ich das in den 39 Jahren vor meiner Fernsehzeit getan habe. Ich brauche weder den roten Teppich noch täglich ein Bild von mir in den Gazetten. Andererseits schätzen so viele Menschen meine Arbeit so sehr, dass sie, wenn sie mir persönlich begegnen, auch ein Recht auf ein Gespräch darüber, ein Foto oder ein Autogramm haben. Das gehört dann einfach dazu.
In welchen Situationen ist es ein Nachteil, „Richter Alexander Hold“ zu sein?
Die Handtücher im Hotel mitgehen lassen, das geht nun natürlich nicht mehr. Im Ernst: Wenn ich früher eine schlecht gelaunte Kellnerin oder einen mürrischen Beamten dazu gebracht habe, sich engagiert und freundlich um mich zu kümmern, dann wusste ich, dass ich das mit meinem eigenen Lächeln und etwas guter Laune erreicht hatte. Heute kann ich mir nie sicher sein, ob jemand nur deswegen freundlich zu mir ist, weil er mich erkennt. Diese kleinen Erfolgserlebnisse vermisse ich manchmal.