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Martin Schulz zum SPE-Spitzenkandidaten gewählt

Den EU-Chefsessel im Visier

  • Veröffentlicht: 03.03.2014
  • 17:46 Uhr
  • vwe, AFP, DPA
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Die europäischen Sozialdemokraten haben EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai gekürt. Beim Wahlkongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in Rom erhielt der 58-Jährige 368 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und 34 Enthaltungen. Der deutsche SPD-Politiker war der einzige Bewerber für die Spitzenkandidatur.

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Dem Treffen der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) konnte Martin Schulz im Vorfeld gelassen entgegensehen. Denn es war schon lange beschlossene Sache, dass der 58-Jährige dann offiziell zum Spitzenkandidaten der SPE ernannt wird. Damit ist auch die Kandidatur für das mächtigste Amt in der Europäischen Union verbunden - das des EU-Kommissionspräsidenten.

Im Wahlkampf kam dem bisherigen Präsidenten des Europaparlaments zugute, dass er der wohl bekannteste deutsche EU-Politiker ist - und zudem fließend Englisch und Französisch spricht. Fernsehreporter bitten ihn regelmäßig vor die Kamera, in Interviews kann er ausführlich seine Vision von Europa erläutern. Außerdem ist er bestens vernetzt: Er gilt als enger Vertrauter von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und telefoniert regelmäßig mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Aus der Provinz nach Europa

Für Schulz war die Nominierung zum Spitzenkandidaten ein neuer Schritt in einer steilen Karriere, die ihn vom Bürgermeistersessel einer deutschen Provinzstadt an die Spitze des Europaparlaments gebracht hat. Eine solche Laufbahn war dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Polizistensohn nicht in die Wiege gelegt. In der Schule glänzte er nicht gerade und schaffte es nicht bis zum Abitur. Stattdessen wurde er Buchhändler - allerdings einer, "der Bücher nicht nur verkauft, sondern auch liest", wie er betont.

Dafür nimmt er sich auch als Parlamentspräsident mit vollem Terminkalender Zeit. "Er verschlingt Bücher und hat sich so ein riesiges Wissen angeeignet", berichtet die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt, die seit langem mit Schulz befreundet ist.

Geboren wurde Schulz 1955 im nordrhein-westfälischen Eschweiler. Seit über 40 Jahren lebt er in der Kleinstadt Würselen, wo er zwölf Jahre lang eine Buchhandlung betrieb. Politisch engagierte er sich zunächst als lokaler Juso-Vorsitzender in der Friedensbewegung. Mit 31 Jahren wurde er Bürgermeister von Würselen.

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Willy Brandt und Nelson Mandela als Vorbilder

Ins Europaparlament wurde Schulz, der als politische Vorbilder Willy Brandt und Nelson Mandela nennt, erstmals 1994 gewählt. Seither erklomm der Vater zweier erwachsener Kinder und Fußballfan beharrlich die Karriereleiter. Im Jahre 2004 wurde er Chef der sozialistischen Fraktion, im Januar 2012 Präsident des Parlaments.

Auch in diesem Amt nimmt der 58-Jährige kein Blatt vor dem Mund, was erst kürzlich im israelischen Parlament für einen Eklat sorgte: Als er dort die Lebensbedingungen der Palästinenser im Gaza-Streifen kritisierte, verließen die Abgeordneten der nationalreligiösen Siedler-Partei Jüdisches Heim unter lauten Protestrufen den Saal.

Im Europaparlament gab es nach diesem Vorfall kaum Kritik - zumal Schulz in der Knesset die Position der EU-Volksvertretung vertrat. Zudem hat sich der deutsche Sozialdemokrat im Parlament Respekt auch bei politischen Gegnern verschafft. Denn unter seiner Führung hat das Parlament seine Kompetenzen voll ausgeschöpft und an Selbstbewusstsein gewonnen.

EU-Chefsessel: Gute Chancen für Schulz? 

So setzte das Europaparlament vor einigen Monaten durch, dass die neue Europäische Bankenaufsicht den EU-Volksvertretern gegenüber zu Transparenz und Rechenschaft verpflichtet ist - nachdem Schulz persönlich beim Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, interveniert hatte.

Und das Parlament machte bereits klar, dass es nicht auf sein Mitspracherecht bei der Nominierung des nächsten Kommissionspräsidenten verzichten will. Zwar wird diese Personalie offiziell von den Staats- und Regierungschefs besetzt, doch müssen diese laut dem EU-Reformvertrag von Lissabon dabei erstmals das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen.

Damit hat Schulz nach Überzeugung von Insidern bei einem guten Wahlergebnis der SPE durchaus eine Chance. Denn nicht wenige Abgeordnete unterschiedlicher politischer Couleur wünschen sich an der Spitze der Brüsseler Kommission einen Politiker, der den Staats- und Regierungschefs im Gegensatz zum derzeitigen Amtsinhaber José Manuel Barroso die Stirn bietet. Dass Schulz dies kann, hat er als Parlamentspräsident bewiesen.

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