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Auch Merkel und Gabriel mit Reformideen

Nach Brexit: Schäuble droht EU-Kommission

  • Veröffentlicht: 03.07.2016
  • 15:47 Uhr
  • dpa
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© dpa/Bernd von Jutrczenka

Wie geht es weiter mit Europa nach dem Brexit? Die Bundesregierung ist sich einig: nicht wie bisher. Finanzminister Schäuble fordert von der EU die Lösung der großen Probleme und plädiert notfalls für zwischenstaatliche Lösungen. Auch Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel haben Reformideen.

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Nach dem Brexit-Referendum plädieren führende Politiker der Großen Koalition in Berlin für Veränderungen in der Europäischen Union. Angesichts der Krise Europas droht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der EU-Kommission mit zwischenstaatlichen Lösungen, falls sie die wichtigsten Probleme nicht zügig löst. Dabei nannte er in erster Linie die Flüchtlingskrise. "Wenn die Kommission nicht mittut, dann nehmen wir die Sache selbst in die Hand, lösen die Probleme eben zwischen den Regierungen", sagte er der "Welt am Sonntag". "Wenn nicht alle 27 von Anfang an mitziehen, dann starten halt einige wenige."

Schäuble widersprach aber der Vermutung, er wolle die Kommission schwächen: "Überhaupt nicht. Ich sage nur: Sie muss, wir müssen pragmatischer und schneller werden." Der Minister hält es demnach auch nicht für sinnvoll, auf das britische Votum für einen Austritt aus der EU damit zu reagieren, dass die Nationalstaaten Kompetenzen von Brüssel zurückbekommen. "Das löst unsere Probleme auch nicht", sagte er. "Wir können uns jetzt nicht mit komplizierten Vertragsveränderungen beschäftigen, die einstimmig erfolgen müssen."

Mehr Jobs für junge Europäer und Investitionen in IT-Technologien

"Die Europäische Union muss jetzt vor allem bei einigen zentralen Problemen zeigen, dass sie diese schnell lösen kann. Nur so werden sich die Leute überzeugen lassen und wieder Vertrauen fassen." Neben der Flüchtlingskrise nannte Schäuble die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die etwa Krisenländer plagt, die Schaffung einer europäischen Cloud - eines internetbasierten Datenspeichers - als Konkurrenz zu US-Monopolisten und eine Energieunion.

Zugleich widersprach Schäuble Forderungen der SPD, die durch staatliche Investitionen in Europa Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Es sei eine "falsche Idee (...), dass man mit neuen Schulden Wachstum auf Pump erzeugt". Er fügte hinzu: "Jetzt ist sicher auch nicht der richtige Augenblick, an einer Vertiefung der Euro-Zone zu arbeiten."

Merkel nennt ihre Reform-Prioritäten

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast eine bessere EU-Politik. Die 27 verbleibenden Staats- und Regierungschefs hätten "drei Bereiche identifiziert, in denen wir effektiver und besser werden müssen", sagte Merkel. Veränderungen seien bei den Themen "Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Wachstum", bei der inneren und äußeren Sicherheit, der Terrorismusbekämpfung, aber auch beim Schutz der europäischen Außengrenzen notwendig. Schließlich müsse man besser werden "bei den Angeboten für die Jugend", sagte die Kanzlerin mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in einigen EU-Ländern.

Merkel forderte zudem, die EU müsse "richtig gut" sein in Forschung und Entwicklung. Europa solle "der wettbewerbsfähigste und wissensbasierteste Kontinent auf der Welt sein" - das hätten die EU-Staaten im Jahr 2000 bereits ausgemacht. "Das sind wir heute nicht, aber diesen Anspruch sollten wir uns wieder stellen."

Gabriel will weniger EU-Kommissare und Ende der Sparpolitik

Ähnlich, aber mit anderer Schwerpunktsetzung äußerte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel bei einer Konferenz der Sozialdemokraten in Berlin: "Wir müssen Europa besser machen." Das Votum der Briten für einen EU-Austritt gebe die Chance, Europa so zu verändern, dass es wieder mehr Zustimmung erhalte, sagte Gabriel. Davon hänge auch die Zukunft Deutschlands und seiner Arbeitsplätze ab.

Gabriel hatte zusammen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bereits kurz nach dem Brexit-Votum einen Zehn-Punkte-Plan für eine EU-Reform vorgelegt. Sie plädierten darin für einen neuen Wachstumspakt und forderten, die Zukunft der EU solle nicht allein auf Brüsseler Gipfeln entschieden werden. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sprach sich Gabriel für eine "Verschlankung" der EU unter anderem bei der Zahl der Kommissare aus. In Berlin kritisierte der SPD-Chef den Plan für härtere Sparauflagen in den ärmeren Ländern. Die EU sei zunehmend gespalten in den ärmeren Süden und reicheren Norden. Die einen verstünden die EU als "Zwangsjacke", die anderen müssten verstehen, dass wachsender Druck nichts bewirke. "Wir müssen anfangen, Europa zu entgiften", forderte Gabriel.

Ende des Feilschens und "Rosinenpickens" gefordert

Er sehe die konservativen Kräfte in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Europa nicht gespalten werde, so der Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister. Dem Motto der Briten "erst feilschen, dann versagen, jetzt klammern" dürfe nicht nachgegeben werden. "Das Beste aus beiden Seiten herauspicken ohne Verantwortung für Europa zu übernehmen, das werden wir nicht mitmachen", sagte Gabriel. "Würden wir das zulassen, wäre es eine Einladung an alle nationalen Egoisten in Europa, es genauso zu versuchen."

CSU-Chef Horst Seehofer hatte bereits am vergangenen Montag gesagt, Europa müsse sich auf zentrale Fragen konzentrieren und dürfe sich nicht in bürokratischen Kleinigkeiten verzetteln. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach von einer "paradoxen Entwicklung": "Einerseits legen in Europa wieder viele Menschen Wert auf ihre nationale Identität. Gleichzeitig hat die Globalisierung dazu geführt, dass die einzelnen Nationalstaaten immer weniger dazu imstande sind, die aktuellen Probleme für sich allein zu lösen", sagte Altmaier dem "Spiegel" (Samstag). "Der einfache Ruf nach mehr Europa reicht nicht."

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