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Schweiz droht zum Transitland zu werden

Zahl illegal einreisender Flüchtlinge steigt

  • Veröffentlicht: 30.09.2016
  • 08:02 Uhr
  • dpa
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Immer mehr Flüchtlinge reisen illegal über die Schweiz nach Deutschland. Entwickelt sich da eine neue Fluchtroute?

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Sithawit sitzt auf einem Poller vor dem Bahnhof in Konstanz. Es ist neun Uhr morgens, die junge Frau sieht müde und erschöpft aus. Erst Stunden zuvor hat die Bundespolizei die 25-Jährige aufgegriffen - als die hochschwangere Frau mit ihrer vier Jahre alten Tochter nachts über die Schweiz nach Deutschland eingereist ist.

Wie es jetzt weitergeht? Sithawit schüttelt leicht den Kopf, zieht ihre Tochter an sich und zeigt auf das Zugticket in der Hand: Karlsruhe steht darauf, Ziel ist die dortige Landeserstaufnahmestelle (LEA). Neben ihr warten noch zwei weitere junge Männer auf die Bahn - auch sie wurden in der Nacht von der Bundespolizei eingesammelt.

Viele Flüchtlinge reisen derzeit unerlaubt über die Schweiz in den Südwesten Deutschlands ein. Im August wurden an der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland knapp 700 Menschen aufgegriffen, im Juli rund 450, wie der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Konstanz, Benjamin Fritsche, sagt.

Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern

Von Januar bis August waren es demnach 2620 Asylbewerber - im Vorjahreszeitraum noch 1890. Vor allem im Juni und Juli sind die Zahlen deutlich nach oben gegangen - über die Gründe könne man nur spekulieren, sagt Fritsche. Vermutlich liege es am Wetter und an politischen Entwicklungen. "Da spielen aber viele Aspekte eine Rolle."

Womit der Anstieg aus seiner Sicht jedoch nichts zu tun hat, ist die Schließung der Balkanroute. "Die Zahl der Flüchtlinge, die etwa aus Syrien kommen, ist vernachlässigbar", sagt Fritsche. Stattdessen stammten die meisten illegal Einreisenden aus afrikanischen Ländern wie Eritrea, Gambia oder Äthiopien - sie seien ohnehin eher auf der Mittelmeer-Route unterwegs.

In Schweizer Medien wurde von unbestätigten Schätzungen berichtet, wonach etwa die Hälfte der aus Italien gekommenen Flüchtlinge, die in der Schweiz einen Asylantrag gestellt haben, später versuchten, von dort aus nach Deutschland zu gelangen. Die "Neue Zürcher Zeitung am Sonntag" hatte unlängst vermutet, die Schweiz könne "zum neuen Transitland" für Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland werden.

Die Schweizer Behörden können die Zahlen zur Weiterreise nach eigenen Angaben nicht bestätigen, da sie dazu keine Statistiken hätten. Es sei aber klar, dass es Migranten gebe, die nach der Registrierung in der Schweiz auf dem Weg in ein anderes Zentrum "verschwinden" - und dann mit großer Wahrscheinlichkeit auf eigene Faust nach Deutschland weiterreisten.

Nur wer in der Schweiz einen Asylantrag stellt, darf bleiben

Flüchtlinge, die angeben, nach Deutschland zu wollen, würden aber konsequent nach Italien zurückgeschickt, heißt es beim Schweizer Grenzwachtkorps. Wer dagegen den Wunsch zu erkennen gibt, in der Schweiz um Asyl zu bitten - das sei bei etwa einem Drittel der Fall -, werde zunächst in das Aufnahmezentrum in Chiasso nahe der Grenze zu Italien überstellt. Dort sind die Kapazitäten mit 140 Plätzen jedoch begrenzt, so dass die meisten bald weitergeschickt werden zu den größeren Aufnahmelagern in Basel und Kreuzlingen - die beide an der Grenze zu Deutschland liegen.

Die gestiegene Zahl illegal einreisender Flüchtlinge beschäftigt die Bundespolizeiinspektion in Konstanz. Die Direktion in Stuttgart hat daher weitere Einsatzkräfte geschickt, um die Beamten zu unterstützen. Viele Flüchtlinge reisten mit dem Zug oder auch mit dem Fernbus von der Schweiz aus in die Stadt, sagt Fritsche. Über die "grüne Grenze" kommen dagegen weniger. Rechnet er damit, dass die Zahlen im Herbst - wenn es kälter ist - wieder abnehmen? "Schwer zu sagen", meint er. "Wir sind selber gespannt, wie es sich entwickelt. Aber wir sind auf alles vorbereitet."

Wie genau Sithawit von Eritrea nach Konstanz kam, will sie nicht erzählen. Die kurze Nacht hat sie mit ihrer Tochter in einer kleinen Herberge in der Stadt verbracht. Am nächsten Morgen hat die Bundespolizei sie abgeholt und zum Bahnhof gebracht. Welche Route hat sie genommen? Ist sie mit ihrer Tochter alleine unterwegs? Oder hatte sie Unterstützung - etwa durch einen Schleuser? Sithawit winkt plötzlich ab. Sie spreche nur wenig Englisch, sagt sie dann. "Little english, little english."

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